23.
Faustus behauptet im weitern, dass wir den Lebenswandel der Heiden unverändert beibehalten hätten, (538,9), ohne zu wissen, was er da redet. Da nämlich der Gerechte aus dem Glauben lebt (Rm. 1,17), und da das Ziel des Gebots die Liebe aus reinem Herzen, gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben ist (I Tim. 1,5), und da drei Dinge bleiben, die das Leben der Gläubigen prägen, nämlich Glaube, Hoffnung und Liebe (cf. I Kor. 13,13), wie könnte da der Lebenswandel der gleiche sein, wenn diese drei Tugenden nicht in gleicher Form vorhanden sind? Denn wer etwas anderes glaubt, etwas anderes hofft, etwas anderes liebt, lebt zwangsläufig anders. Selbst wenn es den Anschein macht, dass wir uns in der Praxis gewisser Dinge nicht von den Heiden unterscheiden, etwa bei den Ess- und Trinkgewohnheiten, beim Wohnen, bei der Bekleidung, bei den Badesitten, und – für jene unter uns, die den Ehestand gewählt haben – bei der Entscheidung, eine Ehefrau zu nehmen und mit ihr die Ehe zu führen, Kinder zu zeugen, aufzuziehen und als Erben einzusetzen, so ist der Umgang mit all diesen Dingen doch ein ganz anderer für den, der dabei irgend eine andere Zielrichtung im Auge hat, als für den, der dafür Gott Dank sagt, ohne von ihm verschrobene und falsche Vorstellungen zu besitzen. Denn so wie ihr, ungeachtet eurer Irrlehre, euch vom selben Brot ernährt wie die andern Menschen, von den selben Früchten und Wassern der Erde lebt, euch mit ähnlich gewobener Wolle und Leinen kleidet, und bei all dem doch einen ganz anderen Lebenswandel führt, nicht indem ihr anderes esst und trinkt oder euch anders kleidet, sondern indem ihr andere Ideen und Glaubensvorstellungen besitzt, und all dies auf ein anderes Ziel ausrichtet, nämlich auf jenes, das euch eure wahnhafte Irrlehre vorgibt: ebensowenig ist unser Lebenswandel, ungeachtet dessen, dass wir all die genannten und noch weitere Dinge ähnlich handhaben, jenem der Heiden ähnlich, da wir die gleichen Dinge auf ein ganz anderes Ziel ausrichten, nämlich auf jenes Ziel des wahren und göttlichen Gebotes, die Liebe aus reinem Herzen, aus gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben (cf. I Tim. 1,5), ein Ziel, von dem manche abgekommen sind, um sich nichtigem Gerede zuzuwenden, worin ihr Manichäer gewiss eine Führungsrolle einnehmt. Denn ihr denkt in keiner Weise darüber nach, dass bei aller Gleichheit der äusserlichen Lebensformen und Tätigkeiten der unterschiedliche Glaube das entscheidende Kriterium ist, um den Lebenswandel unterschiedlich zu beurteilen, und zwar so entscheidend, dass ihr selber eure Hörer, obwohl sie Ehefrauen haben und Kinder – wenn auch widerwillig – akzeptieren und für sie Erbschaften anhäufen oder horten, obwohl sie Fleisch essen, Wein trinken, Bäder aufsuchen, Ernte einbringen, Wein lesen, Geschäfte treiben, öffentliche Ämter bekleiden, trotzdem als eure Glaubensbrüder, nicht als Heiden betrachtet, obwohl ja ihre Lebensweise jener der Heiden ähnlicher erscheint als der eurigen. Und obwohl die Lebensweise gewisser Heiden der eurigen mehr ähnelt als die manch eurer Hörer, – etliche Heiden verzichten ja, bei all ihren gotteslästerlichen Opfern, auf den Wein, die Fleischspeisen, den Geschlechtsverkehr – zählt ihr doch eher eure Hörer, die all das geniessen und sich somit in diesen Dingen von euch unterscheiden, zur Schar des Mani, als jene Heiden, die sich darin gleich wie ihr verhalten, und eher zählt ihr eine Frau, die an Mani glaubt, selbst wenn sie Mutter wäre, zu den eurigen, als die Sibylle, die nicht einmal verheiratet ist. Nun gibt es tatsächlich viele, die das Etikett katholische Christen tragen, und sie sind Ehebrecher, Räuber, Geldraffer, Trunksüchtige und was sonst noch im Widerspruch zur gesunden Lehre steht. Doch was besagt das schon! Sind denn nicht bei euch, einer so kleinen, schon fast bedeutungslosen Gruppe, die meisten so, und gibt es nicht bei den Heiden einige, die nicht so sind? Behauptet ihr etwa, aus diesem Grund seien die Heiden, die nicht so sind, besser als ihr, wo doch die gotteslästerliche Verlogenheit eurer Religion der wahre Grund ist, dass sogar diejenigen unter euren Anhängern, die nicht so sind, schlimmer sind als die Heiden, die so sind? Daraus wird deutlich, dass es der gesunden Lehre, und dies ist einzig die katholische Lehre, keinen Abbruch tut, wenn sich viele Menschen unter ihrem Namen einschreiben möchten, ohne aber bei ihr Heilung zu suchen. Man richte doch sein Augenmerk inmitten dieser gewaltigen, kaum zählbaren Menge, die sich über den ganzen Erdkreis ausbreitet, auf die kleine Zahl jener, die der Herr besonders ans Herz legt (cf. Mt. 20,16), jene kleine Zahl von Heiligen und Glaubenstreuen – worauf immer und immer wieder hinzuweisen ist –, die zwar bildhaft im Vergleich zur Menge der Spreu als die kleine Zahl der Samenkörner bezeichnet wird, die aber aus sich heraus eine so grosse Masse von Getreide hervorbringt, dass sie mit dieser unvergleichbaren Menge die Gesamtzahl eurer Rechtschaffenen und Verworfenen – die ja allesamt von der Wahrheit verworfen werden – übertrifft. Ihr seht, wir sind keine Abspaltung aus dem Heidentum, von dem wir uns ganz wesentlich zum Guten hin unterscheiden; aber auch ihr seid es nicht, da ihr euch von ihm ganz wesentlich zum Schlechteren hin unterscheidet.
