Kap. 31 (Tod und Begräbnis).
1 Der heilige Mann hat uns in seinem von Gott zu Nutzen und zum Wohle der heiligen Kirche geschenkten langen Leben (er lebte nämlich 70 Jahre, im Priester- und Bischofsstand aber etwa 40 Jahre) in den häuslichen Gesprächen immer wieder gesagt, auch gepriesene Christen und Priester dürften nach der Taufe nicht ohne würdige und vollgültige Buße sich von ihrem Leibe trennen.
2 Hiernach handelte er auch selbst in seiner letzten, zum Tode führenden Krankheit: er ließ sich von den Psalmen Davids, die von der Buße handeln, die vier kürzesten abschreiben, beschaute und las sie, an die Wand geheftet, in den Tagen seiner Krankheit immer wieder und unter reichlichen Tränen, und damit seine Andacht von niemandem gestört werde, verlangte er in den letzten zehn Tagen von uns Anwesenden, niemand zu ihm zu lassen außer in den Stunden, da die Ärzte zur Untersuchung kamen, und wenn ihm Speise gebracht wurde. Das wurde beachtet und ausgeführt, und so war er die ganze übrige Zeit frei für das Gebet.
3 Das Wort Gottes hat er bis zu seiner letzten Krankheit ununterbrochen, frisch und kräftig gesunden Geistes und gesunden Urteils in der Kirche gepredigt. An allen Gliedern des Leibes unversehrt, mit ungeschwächtem Augenlicht und Gehör und in unsrem Beisein und unter unsern Augen und Gebeten, wie geschrieben steht, „entschlief er mit seinen Vätern“, „hochgebracht in einem guten Alter“, und in unsrer Gegenwart wurde für die Gott wohlgefällige Beisetzung seines Leibes das Opfer dargebracht, und er wurde bestattet.
4 Ein Testament hat er nicht gemacht, denn als „Armer Gottes“ hatte er nichts zu vererben.
5 Immer schon hatte er angeordnet, die Bibliothek der Kirche und alle Kodizes seien sorgfältig für die Nachkommen zu hüten. Sofern aber die Kirche zu ihrem Unterhalt oder Schmuck etwas hätte, überließ er das der Gewissenhaftigkeit des Presbyters, dem unter seiner Leitung die Sorge für das Kirchenhaus bisher obgelegen.
6 Seine Verwandten, sowohl die im Mönchsstande als auch die außerhalb desselben, behandelte er bei Lebzeiten und für den Todesfall gegen die herrschende Gewohnheit. Wenn es notwendig war, gab er ihnen bei seinen Lebzeiten das, was er auch anderen gab, nicht um sie zu bereichern, sondern damit sie keinen oder nur einen geringeren Mangel litten.
7 Einen sehr zahlreichen Klerus und von männlichen und weiblichen Asketen erfüllte Klöster samt den dazugehörigen leitenden Persönlichkeiten hinterließ er der Kirche zusammen mit der Bibliothek und mit Büchern, die seine Predigten und die anderer heiliger Männer enthielten. An dieser Gabe läßt sich durch Gottes Gnadendarreichung seine Eigenart und Größe in der Kirche erkennen, und hier werden die Gläubigen ihn fort und fort als noch Lebenden finden.
8 Wie auch ein weltlicher Dichter sich auf einem öffentlichen Platz ein Grabmal errichten und folgende Inschrift setzen ließ:
„Ob nach dem Tode noch lebt der Poet, willst Wandrer Du wissen —
„Was Du hier liest, rede Ich; selbst Deine Stimme ist mein.“
9 Und in seinen Schriften offenbart sich deutlich, daß dieser gottgenehme und gottgeliebte Priester, soweit das Licht der Wahrheit den Einblick verstattet, rechtschaffen und korrekt des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe der katholischen Kirche gelebt hat, und die S. 47 da lesen, was er über die göttlichen Dinge schreibt, werden gefördert.
10 Doch muß ich urteilen, daß diejenigen noch mehr von ihm haben konnten, die ihn als Prediger und Liturgen in der Kirche hören und sehen und dazu noch vor allem seinen Verkehr mit den Menschen beobachten konnten. Denn er war nicht nur ein „unterrichteter Schriftsteller im Himmelreich, der aus seinem Schatze Neues und Altes hervorbrachte“ und nicht nur „einer jener Kaufleute, der die köstliche Perle fand und alles, was er besaß, verkaufte und sie kaufte“, sondern er gehörte auch zur Zahl derer, von denen das Schriftwort [als erfüllt] gilt: „So sprecht und so tut“ und das Wort des Heilands: „Wer das tut und lehret die Menschen also, der wird ,Groß‘ genannt werden im Himmelreich.“
11 „Die dringliche Bitte aber richte ich an Eure Liebe, die Ihr diese Schrift lest, daß Ihr mit mir dem allmächtigen Gott Dank sagt und den Herrn preist, daß er mir das geistige Vermögen verliehen hat, Vorstehendes zur Kenntnis der An- und Abwesenden in Gegenwart und Zukunft bringen zu wollen und zu können, und daß Ihr mit mir und für mich betet, daß ich, der ich ganze vierzig Jahre durch Gottes Geschenk mit dem Entschlafenen ohne jede bittere Meinungsverschiedenheit in vertrautem und beglückendem Umgang gelebt habe, in dieser Welt sein Nacheifrer und Nachahmer sei und in der zukünftigen die Verheißungen des allmächtigen Gottes mit ihm genieße. Amen. —
