10.
Zunächst also genieße bis zum Ende der jugendlichen Jahre, vorausgesetzt, daß der Magen kräftig genug ist, Wasser, das ja von Natur kalt ist, als Trank. Läßt dies aber die körperliche Schwäche nicht zu, dann wende auf Dich mit Timotheus das Apostelwort an: „Nimm ein wenig Wein wegen Deines Magens und der häufigen Schwächeanfälle.“ 1 Dann meide beim Essen alle hitzigen Speisen! Ich denke hierbei nicht nur an Fleisch, über welches das Gefäß der Auserwählung sich in folgenden Worten äußert: „Es ist zu empfehlen, keinen Wein zu trinken und kein Fleisch zu essen“, 2 sondern auch unter den Hülsenfrüchten gibt es solche, die man meiden soll, weil sie aufblähen und schwer im Magen liegen. Sei überzeugt, daß den jungen Novizen Christi nichts so gut bekommt wie Gemüse. Deshalb besagt eine andere Schriftstelle: „Wer krank ist, esse Gemüse.“ 3 Der Glut des Körpers muß man mit Speisen, die nicht reizen, entgegenwirken. Auch Daniel und die drei Jünglinge nährten sich von Gemüse. 4 Sie waren Jünglinge und noch nicht mit der Bratpfanne bekannt geworden, auf welcher S. 160 der König von Babylon die greisen Richter röstete. 5 Wir streben nicht nach Schönheit des Körpers, welche jene als besonderer Erweis der göttlichen Gnade infolge dieser bescheidenen Nahrung auszeichnete, 6 wohl aber nach der Kraft der Seele, welche sich um so stärker auswirkt, je hinfälliger der Körper ist. So kommt es, daß manche, die ein keusches Leben führen wollen, unterwegs zusammenbrechen, weil sie glauben, daß man bloß im Fleischgenuß enthaltsam sein müsse, aber mit Hülsenfrüchten, die, mäßig und spärlich genossen, unschädlich sind, den Magen vollpfropfen. Jedoch regt nichts, um ganz offen zu reden, so den Körper auf und reizt die Geschlechtsorgane so sehr wie unverdaute Speisen und krampfhaftes Aufstoßen. 7 Ich will bei Dir, meine Tochter, lieber etwas im Ausdruck anstoßen, als die Sache selbst gefährden. Was die Lust anregt, das sei Dir Gift! Mäßige Nahrungsaufnahme und ständiges Hungergefühl ist mehr wert als drei Tage fasten. Viel besser ist es, täglich wenig, als selten, dafür aber um so reichlicher zu essen. Der Regen ist der beste, der nach und nach zur Erde fällt. Der plötzlich und reichlich einsetzende Platzregen vernichtet jählings die Fluren.
1 Tim. 5, 23. ↩
Röm. 14, 21. ↩
Ebd. 14, 2. ↩
Dan. 1, 12. 16. ↩
Jer. 29, 22. Der Sinn ist: Die Jünglinge entbrannten noch nicht in Fleischeslust. In Anlehnung an eine ihm in Bethlehem bekannt gewordene jüdische Überlieferung setzt Hieronymus die von Jeremias erwähnten Richter Achab und Sedekias mit den Anklägern Susannas gleich (vgl. comm. in Jer. V 67 in CSEL LIX 360 ff. [Reiter]). ↩
Dan. 1, 15. ↩
Hierzu bemerkt Gr. II 181: „Hieronymus scheut vor keiner Schamlosigkeit zurück.“ ↩
