[Vorwort]
Pontius Meropius Anicius Paulinus 1 entstammte einer vornehmen Senatorenfamilie in oder bei Bordeaux. Als Schüler des bekannten Dichters und Rhetors Ausonius S. 170 erhielt er eine gediegene Ausbildung. Durch Vermittlung seines Lehrers, der am Hofe Valentinians 1. Prinzenerzieher wurde, erhielt er in jungen Jahren das Statthalteramt in Kampanien übertragen. Doch bald zog er sich vom politischen Leben zurück, um sich ganz schöngeistigen und wissenschaftlichen Arbeiten zu widmen. Der Tod seines bald nach der Geburt verstorbenen Kindes und andere Schicksalsschläge — selbst des Brudermordes hatte man ihn bezichtigt — veranlaßten ihn auf den Rat seiner Gattin Therasia, sich für ein Leben der Enthaltsamkeit und des Wohltuns zu entscheiden. Zugunsten der Armen verkaufte er einen großen Teil seines unermeßlichen Grundbesitzes, verzog nach Spanien und wurde um 394 zu Barcelona zum Priester geweiht. Etwa ein Jahr später begab er sich mit seiner Gattin nach Nola, wo er zu Ehren des von ihm besonders verehrten Schutzheiligen der Stadt, des hl. Märtyrers Felix, eine Basilika aus eigenen Mitteln erbaute. Im Jahre 409 wurde Paulinus Bischof von Nola, welches Amt er bis zu seinem Tode (431) innehatte.
Unser Brief ist der zweite, den Hieronymus an Paulinus sandte. In einem früheren Schreiben hatte er diesen bereits aufgefordert, sich dem Studium der Hl. Schrift zu widmen. 2 Zu diesem Zweck lud er Paulinus ein, nach Bethlehem zu kommen, wo er ihm Lehrmeister sein wollte. Paulinus hatte offenbar in seiner Antwort die Absicht kundgegeben, nach Jerusalem zu kommen. Auffallend ist, daß Hieronymus auf einmal mächtig bremst, während er wenige Jahre vorher, als er Marcella zum Oriente einlud, 3 die Schönheiten des Aufenthaltes an den heiligen Stätten nicht genug preisen konnte. Es müssen unterdessen, wohl zwischen den beiden Briefen an Paulinus, Ereignisse eingetreten sein, die ihm den Aufenthalt im Orient vergällten. Wahrscheinlich setzten die Schwierigkeiten mit Johannes von Jerusalem ein. Der Hauptzweck des Briefes liegt in den Ratschlägen, die Hieronymus dem Paulinus gibt über die Art und Weise, als Mönch zu leben. In den letzten Kapiteln versucht er nochmals, seinen neuen Freund für das Bibelstudium zu gewinnen, indem er S. 171 von den Fähigkeiten ausgeht, die dieser in einem Panegyrikus auf Kaiser Theodosius entwickelt hatte. Aber Paulinus war kein Theologe im eigentlichen Sinne des Wortes. Deshalb rissen auch bei ihm die Fäden nie ganz ab, die ihn mit Vigilantius, Rufin und Pelagius verknüpften; deshalb wurde er auch kein Exeget.
*Auch dieser Brief ist an den Presbyt er Paulinus adressiert, so daß auch er nach der Priesterweihe des Paulinus (Weihnachten 394) verfaßt sein muß. Da die Lobrede des Paulinus auf Kaiser Theodosius in dem Briefe erwähnt wird, die des Ende 394 errungenen Sieges des Kaisers über die Usurpatoren Maximus und Eugenius gedenkt, 4 so kommt für die Abfassung frühestens das Jahr 395 in Frage. Weil in diesem Jahre auch das Erdbeben stattfand, das Vigilantius, der wohl der Überbringer des Briefes ist, in Bethlehem erlebte, 5 und das auch hier mit seinen für Vigilantius unangenehmen Begleiterscheinungen zart angedeutet ist, 6 so ist vielleicht erst an das Jahr 396 zu denken. 7
Über Leben und Schriften des Paulinus von Nola s. B. III 573 ff. ↩
Ep. 53. ↩
Ep. 46 (vgl. S. 292 ff.). ↩
Dieser Panegyrikus ist verlorengegangen. Jedoch berichtet Gennadius (de vir. ill. 48 — M PL LVIII 1086 f.), daß es sich um einen Glückwunsch „super victoria tyrannorum“ handle, womit nur die beiden Usurpatoren gemeint sein können (vgl. B. III 579). ↩
Adv. Vigil. 11 (BKV XV 317). ↩
Ep. 58, 11. ↩
Nach Pronberger (47) wurde Paulinus erst Weihnachten 395 Priester. ↩
