Nr. 32
Allein man sagt, dieß Alles sind Erdichtungen und zur Lust ausgesonnene Spielereien. Es ist zwar nicht glaubwürdig, daß eben nicht unverständige Menschen und Erforscher des fernsten Alterthums entweder diejenigen Fabeln, welche in der Menschen Kunde und im Gehör hinterlegt übrig waren, ihren Dichtungen einverleibt haben; oder daß sie sich so sehr das dreiste Recht aneignen wollten, mittelst Thorheit jene Dinge zu ersinnen, welche, nicht weit von Unsinn entfernt, ihnen von Seiten der Götter Furcht S. 134 und von Seiten der Menschen Gefahr bringen konnten. Aber wir wollen zugeben, wie ihr behauptet, die Dichter seyen solcher Unförmlichkeiten Urheber und Erfinder. Dennoch seyd ihr auch so nicht frei von der üblen Behandlung der Götter, die ihr säumt derlei Uebelthaten entweder zu bestrafen, oder durch die erlassenen Gesetze und durch die Strenge der Strafen solcher Vermessenheit entgegenzutreten: da doch von euch festgesetzt worden, kein Mensch sollte künftighin das zunächst Unanständige oder das der Majestät der Götter Unwürdige aussprechen. Wer immer dem Fehlenden zu fehlen erlaubt, der reicht der Dreistigkeit Kräfte dar; und es ist größere Schmach, Jemand falsche Vergehungen zuzueignen, als wahrhaftige Verbrechen aussagen und vorwerfen. Daß gesagt werde, was du bist und was zu seyn du dich fühlst, hat einen geringeren Schmerz bei sich, durch das Zeugniß stiller Erkenntniß gemildert. Aber das verwundet auf's herbste, was die Unschuldigen sengt und was den Schmuck des Namens wie des Rufes infamirt.
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