Kap. 24 (Wie er es mit den kirchlichen Finanzen hielt).
1 Die Sorge für das Kirchenhaus und das gesamte Vermögen überwies und anvertraute er befähigten Klerikern als Stellvertretern. Er selbst hatte niemals einen Schlüssel, niemals einen Ring an der Hand, sondern von jenen Hausvorstehern wurde in Einnahme und Ausgabe alles notiert. Am Schluß des Jahres wurde ihm das Aufgezeichnete vorgelesen, damit er die Einnahmen und Ausgaben kenne sowie den noch verfügbaren Rest, und bei zahlreichen Sparten folgte er lieber der Überzeugung von der Treue des Hausvorstehers statt einer Rechnungsprüfung.
2 Häuser, Äcker oder Landgüter wollte er niemals kaufen; aber wenn jemand der Kirche aus freien Stücken so etwas schenkte oder als Legat überließ, wies er es nicht zurück, sondern befahl es anzunehmen. Doch wissen wir, daß er einige Erbschaften abgelehnt hat, nicht weil sie ohne Nutzen für die Armen wären, sondern weil er es für recht und billig hielt, daß besser die Söhne oder die näheren oder ferneren Verwandten der Verstorbenen, denen diese die Erbschaften nicht hatten überlassen wollen, sie doch erhielten.
3 So wollte ein in Carthago lebender angesehener Bürger von Hippo der Kirche von Hippo eine Besitzung schenken und sandte, nur die Zinsen für sich zurückbehaltend, die ausgefertigte Schenkung aus freien Stücken an Augustin heiligen Andenkens, und dieser nahm die Oblation gerne an, den Mann beglückwünschend, weil er seines ewigen Heils eingedenk sei.
4 Aber siehe da, nach einigen Jahren — wir waren zufällig gerade bei Augustin — sandte jener Schenker durch seinen Sohn ein Schreiben mit der Bitte, die ausgefertigten Schenkungsurkunden dem Sohne zurückzugeben, für die Armen aber sollten hundert Solidi verwendet werden.
5 Als das der Heilige hörte, sagte er unter Seufzen, jener habe entweder die Schenkung fingiert oder bereue das gute Werk, und unter dem Einfluß Gottes richtete er gegen diese aufsässige Verkehrtheit mit Seelenschmerz die schwersten Scheltreden und Tadelworte.
6 Und die einst weder begehrten noch eingeforderten Urkunden, die jener aus freien Stücken gesandt hatte, gab er umgehend zurück, das Geld aber wies er ab, und in einem Schreiben legte er dem Mann das Vergehen dar und tadelte ihn, die Mahnung hinzufügend, er möge durch demütige Reue Gott, sei es seiner Heuchelei, sei es seiner Rechtsverletzung wegen, Genugtuung leisten, damit er nicht mit einer so schweren Sünde die Welt verlasse.
7 Öfters sagte er auch, die Kirche könne bedenkenloser und sicherer von Verstorbenen gewidmete Legate annehmen als Erbschaften (von Lebenden), mit denen öfters Sorge und Schaden verbunden seien, und die Legate selbst müßten angeboten werden und seien nicht zu betreiben. Kommenden aber lehnte er sämtlich ab; doch hinderte er die Kleriker, die sie übernehmen wollten, nicht.
8 An dem, was die Kirche hatte und besaß, hing sein Herz nicht, noch verstrickte er sich darin, sondern, durch die größeren geistlichen Dinge gefesselt und an ihnen hängend, machte er sich nur ab und zu von der Betrachtung der ewigen Dinge für die zeitlichen frei und bereit.
9 Wenn er sie dann disponiert und geordnet hatte, kehrte sein Geist wieder wie von bissigen und bedrückenden Dingen zu dem Innerlichen und Oberen zurück, um, sei es über die Auffindung neuer göttlicher Gedanken nachzusinnen, sei es, um aus dem Gefundenen heraus etwas zu diktieren oder um mindestens an dem bereits Diktierten und Niedergeschriebenen Verbesserungen vorzunehmen, und dies tat er, am Tage arbeitend und ebenso in der Nacht.
10 Und er war wie die ruhmvolle Maria, die der Typus der oberen Kirche ist, von der geschrieben steht, daß sie zu den Füßen des Herrn saß und gespannt sein Wort hörte. Und als die Schwester sich beklagte, daß sie bei ihrer großen häuslichen Beschäftigung nicht von ihr S. 42 unterstützt werde, da bekam sie zu hören: „Martha, Martha, das bessere Teil hat Maria erwählt, das soll nicht von ihr genommen werden.“
11 Auf den Bau neuer Gebäulichkeiten war er niemals bedacht, da er fürchtete, er werde sich in diese Aufgaben verstricken; doch hinderte er andere, die auf Neuausführungen bedacht waren, nicht, nur übergroße lehnte er ab.
12 Ab und zu machte er dem Christenvolke Mitteilung, daß ihm die Mittel für die Armen fehlen, wenn es der Kirche an Geld gebrach; doch ließ er auch zugunsten der Gefangenen und sehr vieler Bedürftigen die (silbernen) Gefäße vom Tisch des Herrn zerschlagen und (zum Verkauf) bereitstellen. Ich würde dies nicht erwähnen, wenn ich nicht sehen müßte, daß der irdische Sinn einiger daran Anstoß genommen hat.
13 Daß auch Ambrosius ehrwürdigen Angedenkens dies ohne jedes Bedenken in solchen Notfällen für angezeigt gehalten habe, sagte er mündlich und schriftlich. Aber auch wenn die Gläubigen die Schatzkammer und die Sakristei vernachlässigten, aus denen die Bedürfnisse des Altars gedeckt wurden, monierte er das manchmal in den Predigten und erzählte uns, auch der selige Ambrosius habe das in seiner Gegenwart in der Predigt getan.
