20.
Da beschlossen der Môpêt und Tamschâpûr miteinander, vornehme Männer und Frauen, die den Christennamen trugen, aus Arbel und Umgebung zu sammenkommen zu lassen, um den einen von ihnen dort S. 135 zu steinigen. Es wurde nun eine große Schar von Männern, Frauen und Kindern ergriffen, um sie an ihm zur Sünde zu zwingen. Auch die ehrwürdige Jazdândôcht wurde ergriffen, damit sie komme und auf ihn einen Stein werfe. Man brachte nun den heiligen Joseph vor den gottlosen Tamschâpûr und stellte ihn in ihre Mitte, da seine Gestalt von den Menschen zerstört war, und er stand unter jenen Erbarmungslosen ohne Erbarmen und Mitleid. Es saßen dort der Môpêt, viele Herren, Vornehme und Magier. Während ein Mann den seligen Joseph stehend hielt, daß er nicht falle, winkte er dem Môpêt, daß er zu ihm komme, als wolle er ihm etwas sagen. Der Unreine erhob sich in großem Eifer, da er glaubte, er wolle ihm den Willen tun, und er trat zu ihm, um mit ihm zu sprechen. Joseph nahm den Mund voll Speichel, spie ihm plötzlich das Gesicht voll und sprach: „Du Unreiner und Befleckter, schämst du dich nicht, daß du mich, der ich vom Leben (bereits) gelöst bin, wieder zur Befragung bringst? Weißt du nicht aus all diesen Peinen, die ich erduldet, daß ich bis zum Tode bei meiner Wahrheit beharre?" Da lachten Tamschâpûr und jene Herren heftig über den Môpêt, und er schämte sich sehr, da sie sagten: „Wer zwang dich denn, zu ihm zu gehen?" Sofort führte man ihn hinaus zur Steinigung; auch führte man ungefähr fünfhundert Menschen hinaus mit Gewalt, in großer Betrübnis, damit sie ihn steinigten. Man grub in der Erde (eine Grube), band ihn und setzte ihn hinein bis zu den Lenden. Dann begann man die Leute zu zwingen, auf ihn mit Steinen zu werfen. Auch jene Selige1 zwang man, auf ihn einen Stein zu werfen. Aber tapfer und mutig beharrte sie bei ihrer Treue und rief: „Niemals haben Frauen Männer getötet, wie ihr hier erzwingt. Aufgegeben sind die Kämpfe und Kriege mit den Feinden2 und ihr habt Muße zum Schlachten'und Blut (vergießen) im friedlichen Lande." Da band man einen Griffel3 an die Spitze eines Rohres S. 136 und sagte zu ihr: „Wenn du keinen Stein auf ihn wirfst, so nimm das, strecke es aus und stich ihn ein wenig, damit wir sagen können, du habest den Willen des Königs getan." Da jammerte sie laut: „Besser ist es mir, es in meinen Leib zu stoßen als in den des heiligen Kämpfers Gottes. Wenn ihr die Macht habt, mich zu töten, so werde auch ich mit ihm sterben. Ferne sei es mir, meine Hand in das Blut des Heiligen zu tauchen, das ihr vergießt"4. Infolge der Steine, die ihn trafen, mischte sich Blut und Gehirn des Seligen. Sie warfen auf ihn, bis sich über ihm ein großer Haufen erhob und bloß sein Haupt (sichtbar) blieb, das hierhin und dorthin schwankte und sich neigte. Und da er lange nicht starb, befahl einer der umstehenden Herren einem Soldaten. Dieser nahm einen großen Stein und schlug ihn auf den Kopf und sofort entwich seine Seele. Drei Tage setzte man Wächter neben seine Leiche. Am Morgen des vierten Tages war ein großes Beben; Donner erschütterte die Erde; schwerer Hagel fiel vom Himmel; ein heftiger Wind wehte; furchtbare Blitze erschreckten die Menschen, so daß auch die Wächter an ihrem Leibe von dem herabkommenden Feuer und Schwefel getroffen wurden. In jenem Beben wurde der Leib des Zeugen hinweggenommen und verborgen; ob von Gott oder von Menschen, wissen wir nicht, weil er nirgends mehr gesehen und bekannt wurde. Der Heilige wurde am Freitag der ersten Pfingstwoche gekrönt.
