59.
1. Die Griechen sagen, daß nach Orpheus und Linos und ihren ältesten Dichtern wegen ihrer Weisheit zuerst die sogenannten Sieben Weisen bewundert wurden. Von ihnen stammten vier aus Asien, Thales von Milet, Bias von Priene, Pittakos von Mitylene und Kleobulos von Lindos, zwei aus Europa, Solon von Athen und Chilon von Lakedaimon; als siebenten aber nennen die einen Periandros von Korinth, die andern den Skythen Anacharsis,
2. wieder andere den Epimenides von Kreta, den der Apostel Paulus in dem Brief an Titus mit folgenden S. a58 Worten erwähnt: „Es sagte einer von ihnen selbst, ihr eigener Prophet, so: Lügner sind immer die Kreter, wie Tiere, nichtsnutzige Schlemmer. Und dieses Zeugnis ist wahr.“1
3. Siehst du, wie er auch den Propheten der Griechen ein Stück Wahrheit zugesteht und kein Bedenken trägt, in den Worten, die er zur Erbauung und zur Beschämung von irgend jemand spricht, auch griechische Dichter mitzuverwenden?
4. Wie er z.B. zu den Korinthern (denn jene Stelle ist nicht die einzige) über die Auferstehung der Toten spricht, verwendet er den iambischen Vers eines Tragikers; er sagt nämlich: „Was nützt mir das? Wenn die Toten nicht auferstehen, dann lasset uns essen und trinken, denn morgen sterben wir.2 Laßt euch nicht irreführen! Die guten Sitten macht ein schlechter Umgang schlecht.“3
5. Andere haben den Akusilaos von Argos zu den Sieben Weisen gerechnet, wieder andere den Pherekydes von Syros. Und Platon setzt an die Stelle des Periandros, der wegen seiner Tyrannenherrschaft des Lobes der Weisheit nicht würdig sei, den Myson von Chen.4
Tit 1,12 f. Der Vers ist Epimenides Fr. 1 Diels, Vorsokr. 5.Aufl. I 32,1. ↩
Jes 22,13. ↩
1 Kor 15,32f. - Der Vers ist Menandros, Thais Fr.218 CAF III p.62, nach anderen Euripides Fr. inc.1024; vgl. Paid. II 50,4. ↩
Zu 59,1-5 vgl. Diog. Laert. I 13.41; vielleicht ist Hyppobotos die Quelle; vgl. Diog. Laert. I 42. – Zu 59,5 vgl. Platon, Protagoras p. 343 A. Die Stadt Chen wird teils mit Lakonien, teils am Oeta angesetzt. ↩
