Achter Vortrag: Über die Stelle: "Wenn du Gottes Sohn bist..." bis: "stürze dich hinab." Mt 4,3-6
Weil wir die Frühlingsfasten, die Zeit der Geisteskämpfe herangekommen sehen, wollen wir, wie Streiter Christi, ablegen die leibliche und geistige Trägheit und hineilen auf den Kampfplatz der Tugend, damit wir die Glieder, die in winterlicher Ruhe erschlafft sind, wieder stählen mit himmlischen Waffenübungen. Ein Jahr haben wir dem Leibe gewidmet; [ein paar] Tage wollen wir nun der Seele gönnen; eine lange Zeit haben wir uns selbst geschenkt, einen kurzen Augenblick wollen wir dem Schöpfer opfern: ein wenig nur laßt uns Gott leben, die wir ja sonst ganz der Welt gelebt haben. Häusliche Sorgen wollen wir beiseite legen, bleiben wollen wir im Heerlager der Kirche. Wachen wollen wir im Heere Christi und nicht suchen den Schlaf auf weichem Pfühle; den Helden wollen wir uns anschließen und uns S. 56losreißen von sanften Umarmungen; ein Verlangen nach sieghaftem Triumph soll uns erfüllen, die Liebkosung der Kleinen soll uns nicht davon abhalten; in unseren Ohren töne die Stimme Gottes, der Lärm des Familienleben soll unser Ohr nicht verwirren; kärgliche Speise laßt uns nehmen von dem himmlischen Markte, die Fülle des irdischen Luxus soll uns nicht locken; das Maß der Nüchternheit wollen wir wahren beim Becher, nicht Trunkenheit soll verzehren unsere Kraft! Was wir sonst noch erübrigen von unserem Lebensunterhalt, soll mit uns genießen der dürftige Mitstreiter; nichts sollen wir vergeuden in verderblicher Verschwendung, im heißen Kampfe wirst du zum Helfer haben den hungernden Genossen, mit dem du dein Brot teilst. So gestärkt, Brüder, so belehrt, sollen wir den Kampf ansagen der Sünde, sollen wir den Kampf führen gegen die Verbrechen, Krieg ankündigen den Lastern, erfüllt von Siegesgewißheit. Denn wider die himmlischen Waffen vermögen nichts die irischen Feinde, gegen den himmlischen König können nicht bestehen, die feindlichen Mächte der Welt. Gegen uns vermag feindliches Verderben nicht anzustürmen, wenn wir in Glaubensbereitschaft festgegründet; auch der Teufel wird durch seine Listen nicht überrumpeln die Vorsichtigen, die Wachsamen, die Nüchternen, ja er wird uns, die wir so gerüstet sind, nicht wagen in offenem Kampfe anzugreifen, nicht versuchen, uns mit List zu nahen. Unser Geist möge bleiben im himmlischen Lichte und so aufdecken und umgehen die trügerischen und geheimen Nachstellungen des Teufels! Denn der Teufel ist ja seiner Natur nach böse, er wird aber noch boshafter, wenn er gereizt wird. Höre ja, wie der Apostel sagt: "Der Teufel geht einher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge"1 .
Wenn wir also fasten, hungert der Teufel, der sich immer sättigt an unserer Schuld. Er ist es, der unser Essen führt zur Völlerei, der uns den Becher füllt zur Trunkenheit, damit er den Geist verwirre2 , das Fleisch S. 57beflecke, damit er den Leib, die Wohnung des Geistes, das Gefäß der Seele, die Mauer des Geistes, die Pflanzstätte der Tugenden, den Tempel Gottes umwandle zum Kampfplatz der Verbrechen, zum Schauplatz der Laster, zum Theater des Genusses. Er ist es, der sich sättigt, der Lust empfindet, der sich erfüllt mit unserem Mahle, wenn uns die Schwelgerei entnervt, die Begierde uns aufstachelt, der Luxus uns hinreißt, der Ehrgeiz uns treibt, der Zorn uns drängt, die Wut uns erfüllt, der Neid uns entzündet, die Lust uns entflammt, die Sorgen uns bekümmern, Streitigkeiten uns quälen, Gewinnsucht uns gefangen nimmt, der Wucher uns fesselt, Schuldscheine uns knebeln, Geldsäcke uns drücken, Goldgier uns zugrunde richtet. Wenn die Tugend erstirbt, lebt das Laster auf, die Lust ergießt sich in uns, die Ehrenhaftigkeit geht verloren; die Barmherzigkeit schwindet, die Habsucht nimmt überhand, Verwirrung herrscht, die Ordnung unterliegt, die Zucht liegt am Boden. Dies alles streitet gegen den Streiter Christi; es sind die Kohorten des Satans, des Satans Legionen; sie sind es, die die Welt mit Gräbern erfüllten, die Völker zu Boden warfen, die Nationen verwüsteten, den ganzen Erdkereis in Sklavenketten legten. Sie sind es, denen aus sich kein Sterblicher entgegentreten kann; und deshalb kam, sie zu besiegen, Gott selbst; des Himmels König stieg selbst herab; deshalb kam er als einzigartiger Sieger herab [vom Himmel] und stellte als Schutzwehr auf das vierzigtägige Fasten, damit er durch des Fastens vierfache Zehnzahl die gesamte Vierheit der Welt umschirme mit einer unüberwindlichen Mauer. Wir wissen, Brüder, dass das Fasten ist die Mauer des Geistes, die Fahne des Glaubens, die Standarte der Keuschheit, das Siegeszeichen der Heiligkeit. Dem Adam hätte das Fasten erhalten das Paradies, aber die Unenthaltsamkeit vertrieb ihn3 ; das Fasten bewahrte den Noe in der Arche, während die Unenthaltsamkeit die Welt ertrinken machte4 . Durch das Fasten löschte Lot den Brand Sodomas, er, der später verzehrt wurde S. 58durch das Blutschänderische Feuer, weil er trunken war5 . Das Fasten ließ des Moses Antlitz leuchten von göttlicher Glut, während das Eßund Trinkgelage das Volk Israel warf in die Finsternis des götzendienerischen Irrtums6 . Das Fasten trug den Elias zum Himmel empor7 , während die Trunkenheit den ruchlosen Achab zur Hölle hinabwarf. Das Fasten machte den Johannes zum größten unter den vom Weibe Geborenen8 , während Unmäßigkeit den König Herodes machte zum Mörder auf Weiber Befehl9 ,
Das vierzigtägige Fasten, Brüder, hat die uralten Listen des Satans uns verraten und kundgemacht; denn der Teufel, der Christus, so lange er Nahrung zu sich nahm, verachtet hatte, ihn, so lange er trank, nur als einen Menschen angesehen hatte, vermutet ihn ihm den Gott, als er ihn fasten sah und bekennt ihn als Gottessohn: "Wenn du Gottes Sohn bist", heißt es,"sprich, dass diese Steine Brot werden"10 . Wenn er so sprach, will er uns den Menschen zeigen, nicht den Gott; er will nicht Speise ihm reichen, sondern das Fasten ihm nehmen. "Wenn du Gottes Sohn bist, sprich, dass diese Steine Brot werden!" Denn am Ende des Fastens verlangt nach Brot nicht göttliche Kraft, sondern menschliche Schwäche; Gott aber ermattet gewiß nicht so durch Hunger, dass er sich nicht mit Nahrung versorgen könnte, was doch in seiner Macht liegt. In dem, was folgt, verrät uns der Teufel selbst seine Versuche: "Wenn du Gottes Sohn bist, so stürze dich hinab!"11 . Gewiß will er hier den Menschen wieder versuchen, indem er ihm nicht einen Flug in die Höhe, sondern einen Sturz in die Tiefe anrät; denn für den Menschen ist der Aufstieg immer schwierig, zum Sturz aber S. 59ist er so leicht geneigt. "Wenn du Gottes Sohn bist, so stürze dich hinab!" Du irrst, Satan; du verstehst das Versuchen nicht; Gott kann ja nicht fallen.
"Alsdann zeigte er ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm:Dies alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest."12 . O, was wagt doch der Teufel! Zu Gott sprach er: Bete mich an!" Aber nicht lange darnach sollte er den als Gott erkennen durch seine Wunderwerke, und als Richter für seine Schuld, den er [eben noch] durch seine Versprechungen bittend drängte; denn in Christi Namen, in der Kraft seines heiligen Fastens fing der Teufel an zu fliehen aus den Leibern, die er in Besitz genommen hatte, und zitternd dem die Ehre zu geben, dem er in seinem Hochmute so schlau Schmach zugefügt hatte. Durch das Fasten überwand [Christus den Teufel], um dadurch uns die Kraft zum Siege und den Weg zum Siege zu sichern. "Dieses Geschlecht", heißt es, "wird nicht anders ausgetrieben als durch Fasten und Gebet."13 Laßt uns also fasten, Brüder, wenn wir Christo nacheifern wollen, wenn wir überwinden wollen die trügerischen Verführungskünste des Teufels!
