3.
Doch nun zu deiner Behauptung, wir seien gar keine eigene Religion, sondern eine Abspaltung aus dem Heidentum (535,23)! Von einer religiösen Abspaltung spricht man – wenn ich das recht sehe –, wenn eine Gruppe sowohl in den Glaubensvorstellungen als auch in den Kultformen mit der gesamten Religionsgemeinschaft übereinstimmt, und sich einzig organisatorisch von dieser Gemeinschaft abspalten will; von einer eigenen Religion dagegen spricht man, wenn sich deren Glaubensvorstellungen fundamental von denen der übrigen Menschen unterscheiden, und sich zudem für die Verehrung der Gottheit andere und gänzlich verschiedenartige Kultformen ausgebildet haben. Wenn wir von dieser Bestimmung ausgehen, unterscheiden sich fürs erste sowohl der Inhalt meines Glaubens wie auch die Form der Gottesverehrung gänzlich von dem, was man bei den Heiden vorfindet; wie sich das bei dir verhält, werden wir später sehen. Dogma der Heiden ist es, dass das Gute und das Böse, das Hässliche und das strahlend Schöne, das ewig Bestehende und das Vergängliche, das Veränderbare und das Unwandelbare, das Körperliche und das Göttliche einen einzigen Urgrund haben. Mein Glaube ist dem genau entgegengesetzt, denn als Urgrund alles Guten bezeichne ich Gott, von dessen Gegensatz aber die Hyle. So nämlich benennt unser Theologe den Urgrund und die Natur des Bösen. Im weitern glauben die Heiden, Gott müsse durch Altäre, Heiligtümer, Standbilder, Opfertiere und Weihrauch verehrt werden; auch in dieser Frage entferne ich mich weit von ihnen, denn ich sehe mich selber – wenn ich dessen überhaupt würdig bin – als vernunftbegabten Tempel Gottes, ich betrachte Christus, seinen Sohn als lebendiges Ebenbild der lebendigen Majestät, den Geist, der in die guten Grundsätze und Lehren eingeweiht wurde, als Altar, und als Ehrengaben und Opfer an die Gottheit gelten für mich einzig Gebete, und zwar solche, die aus reinem und aufrichtigem Herzen kommen. Wie sollte ich also eine Abspaltung aus dem Heidentum sein?
