7.
Um nun zu eurer dreigliedrigen, genauer gesagt viergliedrigen Fabelei zu kommen, kann ich zum abgeschiedenen Licht des Vaters (536,11 f.) einzig sagen, dass ihr euch Licht nur so denken könnt, wie ihr das Licht zu sehen gewohnt seid. Dieses sichtbare und jedem fleischlichen Wesen – seien das nun Menschen oder Tiere bis hin zum Wurm – bestbekannte Licht habt ihr vor Augen, nehmt davon eine Vorstellung in euer Herz auf und pflegt dann diese Vorstellung, ins Unermessliche vergrössert, als das Licht zu bezeichnen, wo euer Gottvater mit seinen Untertanen wohnt. Wann nämlich habt ihr schon je einen Unterschied gemacht zwischen dem Licht, mit dem wir sehen, und dem Licht, mit dem wir erkennen, da ihr ja im Erkennen der Wahrheit nie etwas anderes gesehen habt als das Denken von – teils begrenzten, teils in bestimmten Bereichen unbegrenzten - körperhaften Gebilden, ohne zu wissen, dass dies leere Phantasievorstellungen sind? Wenn nun aber schon ein gewaltiger Unterschied besteht zwischen dem Denken, in dem ich mir euer Land des Lichts vorstelle, das überhaupt nicht existiert, und dem Denken, in dem ich mir Alexandria vorstelle, das ich zwar nie gesehen habe, das aber doch existiert, und wiederum ein gewaltiger Unterschied besteht zwischen dem Denken, in dem ich mir das unbekannte Alexandria vorstelle, und jenem, in dem ich mir Karthago vorstelle, das mir bekannt ist: unvergleichlich grösser noch ist der Abstand zwischen diesem Denken, in dem ich mir Körperwesen vorstelle, die sicher existieren und mir bekannt sind, und dem Denken, in dem ich Gerechtigkeit, Reinheit, Glaubwürdigkeit, Wahrheit, Liebe, Freundlichkeit und was es sonst an derartigen Begriffen gibt, erkenne! Nehmt zur Kenntnis, wenn ihr dazu fähig seid, was für ein Licht dieses Denken ist, durch das all jene Dinge, die es selber nicht sind, voneinander unterscheidbar werden, und durch das mit untrüglicher Deutlichkeit erkennbar wird, wie sehr sie sich von diesem Licht unterscheiden. Und dennoch ist auch dieses Licht nicht jenem Licht gleichzusetzen, das Gott ist; denn dieses Licht ist Geschöpf, jenes aber ist der Schöpfer; dieses Licht ist geschaffen, jener ist es, der es geschaffen hat; dieses Licht schliesslich ist veränderbar, indem es will, was es vorher nicht wollte, indem es weiss, was es früher nicht wusste, indem es sich dessen erinnert, was es vergessen hatte, jenes Licht dagegen verharrt unveränderlich in seinem Willen, in seiner Wahrheit, in seinem ewigen Sein; ihm verdanken wir Menschen den Anfang unseres Seins, die Vernunft unseres Erkennens, das Gesetz unseres Strebens; ihm verdanken auch alle vernunftlosen Lebewesen die Naturgestalt, in der sie leben, die Lebenskraft, durch die sie empfinden, den Trieb, durch den sie begehren; und ihm verdanken sämtliche Körper ihre Abmessung, damit sie stabil bleiben, ihre Proportionen, damit sie wohlgestaltig sind, ihr Gewicht, damit sie den ihnen zustehenden Platz einnehmen. Und so ist jenes Licht als untrennbare Dreieinigkeit der eine Gott, dessen Substanz, die doch – da mit keinem Körper verbunden –, körperlos, geistig und unveränderlich in sich selbst ruht, ihr nun auch noch auf verschiedene Wohnsitze aufteilt. Und nicht einmal nur drei sondern gar vier Wohnsitze weist ihr dieser Dreieinigkeit zu: dem Vater einen, und zwar das unzugängliche Licht (536,12), das ihr völlig missversteht, dem Sohn zwei, nämlich die Sonne und den Mond, dem Heiligen Geist wiederum einen, und zwar die gesamte Atmosphäre, die uns umhüllt. Was das unzugängliche Licht des Vaters betrifft, soll diese Bemerkung für den Augenblick genügen, da ja für den, der den wahren Glauben besitzt, der Sohn und der Heilige Geist von ihm nicht zu trennen ist.
