7.
Auch die Heidenwelt hat Verständnis für die Keuschheit, und sie beschämt uns, wenn sie in ihrem falschen Glauben dem Teufel, der eine Keuschheit des Verderbens erfunden hat, zuliebe tut, 1 was die christliche Wahrheit Christus versagt. Der Hierophant in Athen machte sich impotent, und die dauernde Verstümmelung zwang ihn zur Keuschheit. 2 Zum Priesteramte des Flamen wurde nur zugelassen, wer bloß einmal verheiratet war. Zur Gattin des Flamen wurde ebenfalls nur eine Frau gewählt, welche bloß ihn als Gatten kannte. 3 Zum Apisdienst ließen die Ägypter nur solche S. 197 Priester zu, die bloß einmal verehelicht waren. 4 Ich will nicht weiter sprechen von den Jungfrauen der Vesta, Apollos, der Juno von Achaja, der Diana und Minerva, 5 die ihr priesterliches Amt bis ins hohe Alter hinein unter Wahrung ihrer Jungfräulichkeit verwalteten. Ganz kurz will ich jener Königin Karthagos gedenken, welche lieber den Flammentod erleiden, als den König Jarbas heiraten wollte. 6 Auch die Gattin Hasdrubals sei hier genannt, welche ihre Kinder mit beiden Händen ergriff und sich in die Flammen stürzte, um nicht ihre Ehrbarkeit preiszugeben. 7 Auch Lucretia sei erwähnt, welche es nicht über sich brachte, im Bewußtsein der ihr angetanen Schmach weiter zu leben, nachdem sie durch eine Gewalttat den Ruhm der Tugend eingebüßt hatte. 8 Aber ich will nicht viele Worte machen, zumal Du ja alles im ersten Bande gegen Jovinian zu Deiner Erbauung lesen kannst. 9 Nur ein Ereignis, das sich in Deiner engeren Heimat zugetragen hat, will ich noch erwähnen, da Du ihm entnehmen kannst, daß die Keuschheit selbst bei wilden Barbaren und grausamen Völkerschaften als etwas Ehrfurchtsvolles gilt. Der Stamm der Teutonen, der vom fernen Gestade des germanischen Ozeans aufgebrochen war, hatte ganz Gallien überschwemmt. Nach mehrfachen Siegen über die Heere der Römer fanden sie schließlich bei Aquae Sextiae in Marius ihren Bezwinger. Dreihundert ihrer vornehmsten Frauen hatten S. 198 erfahren, daß sie anderen Männern als Kriegsbeute überlassen werden sollten. Da baten sie zuerst den Konsul, daß sie zum Dienste im Tempel der Ceres und der Venus bestimmt werden möchten. Doch sie vermochten ihren Wunsch nicht durchzusetzen. Vom Liktor vertrieben, fand man sie am Morgen in gegenseitiger Umarmung tot vor, nachdem sie ihre kleinen Kinder umgebracht und sich mit Stricken erdrosselt hatten. 10
Vgl. Tertullian, De praescr. 40 (BKV XXIV 349f.); De exhort. cast. 13 (BKV VII 345 f.); Ad uxorem 16 (BKV VII 69 f.). ↩
Der Hierophant, der Oberpriester der eleusinischen Mysterien, machte sich impotent, indem er Schierlingssaft trank (vgl. Adv. Jov. I 49 M PL XXIII 295 f.). Julian berichtet, daß sich der Hierophant jeglichen Geschlechtsverkehrs enthielt (Orat. 5, 173). ↩
Vgl. Tertullian, De exhort cast. 13 (BKV VII 345); De monog. 17 (BKV XXIV 518). Der Flamen Dialis mußte nach dem Tode seiner Frau aus dem Amte scheiden. ↩
Tertullian, De monog. 17 (BKV XXIV 519); De exhort. cast. 13 (BKV VII 345). ↩
Tertullian, De exhort. cast. 13 (BKV. VII 345). ↩
Dido, die Gründerin Karthagos (vgl. Vergil, Aen. IV 20 ff.); Tertullian, De monog. 17 (BKV XXIV 518); De exhort. cast. 13 [BKV VII 346). ↩
Liv. LI Periocha. ↩
Lucretia war von Tarquinius Sextus, dem Sohne des Tarquinius Superbus, vergewaltigt worden (Livius I 58; Valerius Maximus VI 1, 1). Vgl. Tertullian, De monog. 17 (BKV XXIV 518); De exhort. cast. 13 (BKV VII 346). ↩
Adv. Jov. I 41 ff. (M PL XXIII 285 ff.). ↩
Valerius Maximus VI 1 ext. 3. ↩
