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Aber wozu noch länger drum herumreden? Als bereits der Tag der Trauung herannahte und alle Vorbereitungen zur Hochzeit getroffen waren, da bestärkte sie sich insgeheim und ohne Zeugen im tröstlichen Schutze der Nacht mit folgenden Erwägungen in ihrem Vorhaben: „Was tust du, Demetrias? Warum verteidigst S. 245 du deine Keuschheit so zaghaft? Freimut und kühne Entschlossenheit sind am Platze. Wenn du schon in normalen Verhältnissen so furchtsam bist, wie würdest du dich anstellen, wenn du das Martyrium auf dich nehmen solltest? Wenn du dem Blick deiner Angehörigen nicht standhalten kannst, wie wirst du vor dem Richterstuhl der Verfolger bestehen können? Wenn das Beispiel der Männer dich nicht aufmuntert, dann möge dir die heilige Märtyrin Agnes mahnend vorschweben und dich stark machen, die sich weder durch ihre Jugend noch durch einen Tyrannen abhalten ließ, ihre Keuschheit in ruhmvollem Martyrium zu krönen. 1 Du Elende weißt wohl gar nicht mehr, wem du deine Keuschheit verdankst. Vor einiger Zeit zittertest du unter den Händen der Barbaren 2 und suchtest Schutz am Busen und unter dem Mantel deiner Großmutter und deiner Mutter. Du sahst dich schon in der Gefangenschaft, du mußtest damit rechnen, daß es nicht mehr in deiner Macht lag, über deine Unversehrtheit zu befinden. Du schrecktest zurück vor den wilden Gesichtern der Feinde. Still seufzend warst du Zeugin, wie gottgeweihte Jungfrauen geraubt wurden. Deine Stadt, einst das Haupt der Welt, ist das Grab des römischen Volkes. Und jetzt an der Küste Libyens willst du, selbst eine Verbannte, einen verbannten Mann heiraten? Wer wird Brautführer sein? Wer wird am Brautzug teilnehmen? Rauhe punische Stimmen werden freche Wechselreime singen. Kein weiteres Zögern mehr! Die vollkommene Liebe verjagt die Furcht. 3 Nimm den Schild des Glaubens, den Panzer der Gerechtigkeit, den Helm des Heiles 4 und mache dich auf, dem Kampfe entgegen! Auch die Bewahrung der Jungfräulichkeit hat ihr Martyrium. Was fürchtest du dich vor der Großmutter? S. 246 Warum bangst du vor der Mutter? Vielleicht wünschen sie selbst, was du wünschest, nur mag ihnen die Überzeugung fehlen, daß es sich bei dir um einen ernsten Entschluß handelt.“ Von diesen zündenden Gedanken angeregt, legt sie allen Körperschmuck und ihr weltliches Kleid, die sie in ihrem Entschluß zu behindern schienen, ab. Die kostbaren Kleinodien, die schweren Perlen und leuchtenden Edelsteine verschließt sie in die Schatullen. Sie legt eine einfache Tunika und ein noch einfacheres Pallium an. So fällt sie plötzlich der ahnungslosen Großmutter zu Füßen, die sie nur an ihrem Weinen und Klagen erkennt. Die fromme und ernste Frau war überrascht ob der ungewohnten Kleidung ihrer Enkelin. Die Mutter stand daneben vor Freude wie vom Blitz getroffen. Beide vermochten kaum als wahr hinzunehmen, was ihnen innerster Herzenswunsch war. Die Worte blieben ihnen in der Kehle stecken, 5 abwechselnd wurden sie rot und blaß, bald kam Furcht, bald Freude zum Durchbruch, und die mannigfaltigsten Gedanken schwirrten ihnen durch den Kopf.
