8.
Was ich sage, sollen nicht Worte eines Unglückspropheten sein, sondern ich werde damit nur meinem Amte eines besorgten und vorsichtigen Mahners gerecht, der selbst bei Dir, wo alle sichere Gewähr vorhanden S. 255 ist, seine Bedenken hat. Bekanntlich heißt es: „Wenn der Geist dessen, der Gewalt hat, über dich kommt, dann verlasse deinen Ort nicht!“ 1 Wie der Krieger vor der Schlacht müssen wir immer gerüstet und kampfbereit dastehen. Der Feind will uns von unserer Stelle wegdrängen und zur Preisgabe unseres Standortes zwingen. Da heißt es um so fester Fuß fassen und sagen: „Er hat meine Füße auf einen Felsen gestellt. Der Fels bildet die Zuflucht der Hasen“ 2 (viele lesen an dieser Stelle „der Igel“. Der Igel ist ein kleines, scheues Tier voller Stacheln der Sünde). Aber Jesus ist mit Dornen gekrönt worden, 3 hat unsere Sünden auf sich genommen und für uns gelitten, damit aus den Dornen und Drangsalen der Frauen, von denen es heißt: „In Ängsten und Schmerzen wirst du, o Weib, gebären, du wirst den Hang zum Manne haben, und er wird dein Herr sein“, 4 die Rosen der Jungfräulichkeit und die Lilien der Keuschheit hervorsprießen. Darum hat der Bräutigam seine Weide auch unter den Lilien 5 und unter denen, die ihr Kleid nicht befleckt haben, 6 sondern stete jungfräulich blieben und sich das Wort zu Herzen nahmen: „Dein Gewand soll immer weiß sein.“ 7 Gleichsam als Schöpfer der Jungfräulichkeit und ihr eifrigster Vertreter spricht der göttliche Bräutigam zuversichtlich: „Ich bin die Blume des Feldes und die Lilie der Täler.“ 8 Er ist der Fels für jene Hasen, 9 die in den Tagen der Verfolgung von Stadt zu Stadt fliehen, 10 ohne sich vor dem Worte des Propheten zu fürchten: „Die Flucht ist mir abgeschnitten, aber die hohen Berge sind für die Hirsche.“ 11 Seine Speise sind die Schlangen, die eines Kindes Arm aus dem Felsspalt langt, wenn Panther und Böcklein nebeneinander ruhen, wenn Rind und Löwe S. 256 Gras fressen, 12 so daß nicht das Rind des Löwen Wildheit sondern der Löwe des Rindes zahme Art annimmt.
Doch kehren wir zurück zu der Schriftstelle, von der wir ausgegangen sind: „Wenn der Geist, der Gewalt hat, über dich kommt, so stehe fest an deinem Orte!“ Daran schließen sich die Worte an: „Denn Gott der Helfer bezwingt die größten Sünden.“ 13 Dieser Vers hat folgenden Sinn: Wenn die Schlange sich in Deine Gedanken einschleicht, dann behüte Deine Seele mit der größten Wachsamkeit 14 und singe mit David: „Von den mir unbekannten Sünden reinige mich, o Herr, und vor fremden Sünden bewahre deinen Knecht!“ 15 Dann wirst Du auch nicht zum Schlimmsten, nämlich zur Tatsünde, kommen. Vielmehr wirst Du den Zündstoff des Lasters in Deinem Innern zum Erlöschen bringen und die Kinder Babylons am Felsen zerschmettern, 16 an dem sich keine Schlangenspuren finden. 17 Vorsichtig wirst Du dem Herrn versprechen: „Wenn sie nicht über mich Herrschaft gewinnen, dann werde ich makellos sein und frei bleiben von ganz großen Sünden.“ 18 Etwas Ähnliches bezeugt die Schrift an anderer Stelle: „Die Sünden der Väter werde ich rächen bis ins dritte und vierte Geschlecht.“ 19 Unsere Gedanken und Herzenspläne wird er nicht sofort strafen, wohl aber später, wenn wir nämlich zur bösen Tat übergehen und in der Sünde verharren. In diesem Sinne läßt er auch den Propheten Amos sagen: „Wegen drei oder vier Sünden dieser und jener Stadt will ich mich nicht von ihr abwenden.“ 20
Ekkle. 10, 4. ↩
Ps. 39, 3; 103, 18. ↩
Matth. 27, 29; Mark. 15, 17; Joh. 19, 2. ↩
Gen. 3, 16 (nach LXX). ↩
Hohel. 2, 16; 6, 2. ↩
Offenb. 3, 4. ↩
Ekkle. 9, 8. ↩
Hohel. 2, 1. ↩
Ps. 103, 18. ↩
Matth. 10, 23. ↩
Ps. 141, 5; 103, 18. ↩
Is. 11, 6 ff. ↩
Ekkle. 10, 4. ↩
Sprichw. 4, 23. ↩
Ps. 18, 13 f. ↩
Ps. 136, 9. ↩
Sprichw. 30, 19. ↩
Ps. 18, 14. ↩
Exod. 20, 5; Num. 14, 18; Deut. 5, 9. ↩
Amos 1, 3 u. ö. ↩
