9.
Wie ich gezeigt habe, war sich Petrus über die Abschaffung des mosaischen Gesetzes im klaren. Aber Furcht veranlaßte ihn, den Anschein zu erwecken, als ob er dasselbe befolge. Jetzt wäre zu prüfen, ob nicht auch Paulus, der einen anderen rügt, ähnlich gehandelt hat. Wir lesen in der Apostelgeschichte: „Paulus reiste durch Syrien und Kilikien und bestärkte die Kirchen. Er kam auch nach Derbe und Lystra. Dort war ein Jünger mit Namen Timotheus, der Sohn einer gläubigen jüdischen Witwe und eines heidnischen Vaters. Die Brüder, welche in Lystra und Ikonium waren, legten für ihn Zeugnis ab. Paulus wollte ihn zu seinem Begleiter machen, beschnitt ihn aber wegen der Juden, die an diesen Orten waren. Es wußten aber alle, daß sein Vater Heide war.“ 1 Heiliger Apostel Paulus, der du den Petrus der Heuchelei zeihst, weil er sich aus Furcht vor den Juden, die aus der Umgebung des Jakobus kamen, von den Heiden zurückgezogen hatte, warum hast du den Timotheus, den Sohn eines Heiden und selbst Heiden — Jude war er nicht, denn er war unbeschnitten —, gegen deinen Grundsatz zur Beschneidung gezwungen? Du wirst mir antworten: „Wegen der Juden, die sich an diesen Orten aufhielten.“ 2 Wenn du nun eine Entschuldigung hast für die Beschneidung deines Schülers, der heidnischer Abstammung war, dann verzeihe S. b444 auch dem Petrus, wenn er bereits früher als du sich in seinem Handeln zuweilen von der Furcht vor den Juden leiten ließ! Im gleichen Buche wird erzählt: „Als Paulus längere Zeit verweilt hatte, nahm er von den Brüdern Abschied und begab sich zu Schiff nach Syrien. Mit ihm gingen Aquila und Priszilla. Zu Kenchreae aber ließ er sich das Haupt scheren; denn er hatte ein Gelübde gemacht.“ 3 Mag sein, daß der Apostel im Falle Timotheus aus Furcht vor den Juden gezwungen war, gegen seinen Willen zu handeln. Aber warum hat er auf ein Gelübde hin sein Haar wachsen lassen und es nachher in Kenchreä dem Gesetze gemäß abgeschnitten, wie die Nazaräer, die sich Gott geweiht hatten, nach der Vorschrift des Moses zu tun pflegten? 4
