5.
Du aber hast, um dem aus dem Wege zu gehen, was ich von meinen Lesern forderte, einen neuen Einwand vorgebracht. Du behauptest, die Heiden, die den christlichen Glauben annahmen, seien von der Last des Gesetzes befreit, die Juden aber, die zum Glauben kamen, seien dem Gesetze unterworfen gewesen. Sonach hätte Paulus als Heidenapostel denen, die das Gesetz beobachteten, gerechte Vorwürfe gemacht, Petrus aber habe berechtigter Tadel getroffen, da er, der in erster Linie Judenapostel war, 1 den Heiden eine Verpflichtung auferlegen wollte, die nur für jene bestand, die aus den Juden gekommen waren. Wenn Du meinst oder vielmehr, weil Du meinst, daß die Judenchristen zur Einhaltung des Gesetzes verpflichtet sind, 2 so mußt Du, ein in der ganzen Welt bekannter Bischof, diese Deine Ansicht weithin bekanntgeben und Dich der Zustimmung aller anderen Bischöfe versichern. Ich, der ich mit meinen Mönchen, also mit sündigen Mitbrüdern, in meiner kleinen Hütte wohne, wage es nicht, in wichtigen Fragen eine Entscheidung zu treffen. Ich kann nur schlechthin angeben, daß ich die Schriften der Alten lese und in meinen Kommentaren, wie es alle zu tun pflegen, die verschiedenen Auffassungen vorbringe, damit jeder nach Gutdünken unter den vielen Meinungen seine Wahl treffe. Sicherlich weißt Du, daß diese Methode sowohl für die weltliche Literatur als auch für die Hl. Schrift in Übung ist, und sie dürfte auch Deine Billigung finden.
