6.
1. Er antwortete: ‚Ich frage gar nichts nach Plato und Pythagoras, gar nicht einmal danach, ob überhaupt einer solche Ansichten teilt. Es ist ja Wahrheit, was ich da sage. Du aber magst davon lernen. Die Seele ist entweder Leben oder hat (Anteil am) Leben1. Wenn sie nun Leben wäre, dann würde sie etwas anderes zum Leben wecken, nicht sich selbst, gleich wie auch Bewegung eher etwas anderes bewegt als sich selbst. Daß die Seele lebt, wird niemand bestreiten. Wenn sie aber lebt, lebt sie nicht, weil sie Leben ist, sondern weil sie am Leben Anteil hat; das, was Anteil hat, ist etwas anderes als das, woran man Anteil hat. Die Seele aber hat Anteil am Leben, weil Gott will, daß sie lebe. 2. So wird sie nun auch dereinst nicht Anteil haben, wenn nicht Gott will, daß sie lebe. Denn das Leben gehört ihr nicht in gleicher Weise wie Gott. Im Gegenteil, gerade so wie der Mensch nicht immer existiert und nicht immer der Körper mit der Seele verbunden ist, sondern die Seele dann, wenn diese Vereinigung gelöst werden muß, den Körper verläßt und der Mensch nicht ist, so weicht auch von der Seele, wenn sie nicht mehr sein soll, der lebenspendende Geist und ist die Seele nicht mehr, sondern kehrt eben dahin zurück, woher sie genommen wurde‘2.
