10.
Bei diesem Unglück ward der Starkmut der großen Makrina kund: mit ihrem Geiste sich dem Leid entgegenstemmend, zeigte sie sich nämlich ungebrochen und ward zugleich der Schwachheit der Mutter zur Stütze und richtete sie aus der Tiefe ihres Schmerzes wieder auf, indem sie durch ihre eigene Festigkeit und Standhaftigkeit auch die Seele der Mutter zur Mannhaftigkeit erzog. So wurde die Mutter vom Schmerz nicht jäh fortgerissen, noch ließ sie etwas Unedles und Weibisches über sich kommen, so daß sie zum Unglück geschrieen oder ihr Kleid zerrissen oder im Leid geheult oder mit jämmerlichen Tönen die Totenklage angestimmt hätte; vielmehr hielt sie ihn in ruhiger Gelassenheit aus, indem sie mit besonnenen Erwägungen die Anfechtungen des natürlichen Gefühls abwehrte, sowohl mit den eigenen Erwägungen als auch mit denen, welche die Tochter ihr darbot, um das Leid zu heilen. Damals trat nämlich die erhabene S. 345 und hochgesinnte Seele der Jungfrau ganz besonders zutage. Denn auch ihre Natur litt eigentlich mit. War es doch ihr Bruder und zwar ihr Lieblingsbruder, der ihr auf solche Weise durch den Tod entrissen worden war. Trotzdem überwand sie ihre Natur und richtete zugleich mit ihren Tröstungen die Mutter auf und half ihr das Leid überwinden, indem sie dieselbe durch ihr Beispiel zu standhaftem und männlichem Starkmut anhielt. Außerdem ließ auch ihr allzeit erhabenes Tugendleben der Mutter keine Gelegenheit, sich eher über den Verlust aufzugrämen als sich am gegenwärtigen Glück freudig aufzurichten.
