28.
Als es aber an der Zeit war, ihren reinen Leib mit dem Gewand zu umhüllen und mir der Auftrag jener Hohen diesen Dienst zur Pflicht machte, war jene Frau, welche mit uns die große Erbschaft geteilt hatte, beim Geschäfte zugegen und sprach, indem sie die Hände dazu anlegte: „Laß die Größe der von dieser Heiligen vollbrachten Wundertaten nicht unerzählt vorübergehen!“ „Was meinst du damit?“ erwiderte ich. Sie aber entblößte einen Teil der Brust und sprach: „Siehst du dieses kleine und unscheinbare Zeichen unter dem Hals?“ (Es glich aber dem Stich einer feinen Nadel) und zugleich hielt sie das Licht näher an die mir gezeigte Stelle. „Was ist denn Auffallendes daran,“ fragte ich, „wenn ihr Leib an dieser Stelle mit einem unscheinbaren Mal versehen ist?“ „Das ist“, sagte sie, „ihrem Leib als Erinnerung an die mächtige Hilfe Gottes geblieben. Denn als einmal an dieser Stelle ein schweres Leiden auftrat und Gefahr war, daß man die Geschwulst aufschneiden mußte oder daß das Leiden völlig unheilbar werde, wenn es sich der Herzgegend näherte, bat die Mutter, wie sie erzählte, sie dringend und flehte sie an, sich in die Behandlung des Arztes zu begeben, weil ja auch diese Kunst, wie sie sagte, von Gott zum Heil der Menschen geoffenbart worden sei. Sie aber hielt die Entblößung des Körpers vor fremden Augen für schlimmer als die Krankheit und ging zur Abendzeit, nachdem sie der Mutter mit ihren Händen den gewohnten Dienst besorgt hatte, in das Heiligtum und lag hier die ganze Nacht vor dem Gott der Heiligen und, nachdem sie mit dem aus den Augen tränenden Wasser die Erde begossen hatte, verwendete sie den durch die Tränen entstandenen Kot als Heilmittel für ihr Leiden. Als aber die Mutter in ihrer Verzagtheit sie wieder aufforderte, sich an den Arzt zu wenden, erklärte sie, es genüge zur Heilung ihres Leidens, wenn die Mutter mit ihrer eigenen Hand auf die Stelle das heilige Kreuzzeichen mache. Wie dann die Mutter ihre Hand in den Busen geführt hatte, um die Stelle ringsum mit dem Kreuze zu bezeichnen, tat das Kreuz seine Wirkung und das Leiden war verschwunden. Aber dieses kleine Mal, S. 363 sagte sie, war schon damals an Stelle des schrecklichen Geschwüres sichtbar und blieb ihr bis ans Ende, damit es, wie ich glaube, als Erinnerung an die göttliche Hilfe zum immerwährenden Dank gegen Gott anspornte und veranlaßte.“
