35.
Als aber das Mahl ein Ende hatte und unser Herz1 satt war, da der treffliche Petrus uns eigenhändig bediente und uns Unterhaltung leistete, während die heilige Makrina mit aller ehrbaren Fröhlichkeit die Gattin zu uns entließ, kehrten wir also, freudig gestimmt und wohlgemut, denselben Weg zurück, indem wir auf dem Wege einander unsere Erlebnisse erzählten; ich berichtete das, was ich in der Männerwohnung gesehen und gehört hatte, während jene alle Einzelheiten schilderte und nichts, auch nicht das Unbedeutendste, auslassen zu dürfen glaubte. Als sie nun alles der Reihe nach, wie in einem Buch zusammengestellt, durchging und an jenen Punkt kam, wo es sich um das Versprechen der Heilung des Auges handelte, brach sie die Erzählung ab und rief: „Was ist uns Schlimmes widerfahren? Wie konnten wir das Versprochene vergessen, jene uns zugesagte Augensalbe?“ Und da auch ich mich über die Nachlässigkeit ärgerte und einem den Auftrag gab, schnell das Heilmittel zu holen, blickte das Kind, das die Wärterin auf ihren Armen trug, zufällig zur Mutter hin. Die Mutter aber rief, auf die Augen des Kindes schauend: „Laß ab, dich wegen der Nachlässigkeit zu grämen! Denn siehe,“ sprach sie mit vor Freude und Staunen zugleich erregter Stimme, „nichts vom Versprochenen fehlt uns; vielmehr hat sie ihr wirklich heilkräftiges Mittel, nämlich die Heilung durchs Gebet, uns nicht bloß geschenkt, sondern auch bereits wirksam gemacht und an dem durch jenes göttliche Heilmittel geheilten Auge ist von der S. 368 Krankheit nichts mehr vorhanden!“ Zugleich mit diesen Worten nahm sie das Kind an sich und legte es auch in meine Arme. Und ich dachte damals an die unglaublichen Wunder des Evangeliums in meinem Geiste und sagte: „Was bedeutet es noch Großes, wenn durch die Hand Gottes Blinde ihr Gesicht wiedererhalten, da hier seine Dienerin durch den Glauben an ihn jene Heilungen zuwege gebracht und damit ein Werk vollzogen hat, das nicht viel hinter jenem Wunder zurücksteht?“ Da er dies erzählte, erstickte ihm vor Schluchzen die Stimme, indem die Tränen zwischen seine Erzählung rannen.
Öhler liest ψυχή (psychē) statt des Morelschen εὐχή (euchē). ↩
