34.
„Es kam einmal uns, meine Gattin und mich, das sehnliche Verlangen an, die Schule der Tugend zu besuchen. Denn so muß man, sagte er, nach meiner Meinung jenen Ort nennen, wo die glückliche Seele sich aufhielt. Bei uns war unser Töchterlein, das infolge einer pestartigen Krankheit an einem Augenübel litt. Es war ein widerlicher und mitleidenswerter Anblick, da sich die Hornhaut an der Pupille verdichtet hatte und infolge der Krankheit eine weißliche Farbe zeigte. Als wir aber an jenem gottgeweihten Orte angelangt waren, teilten wir unseren Besuch bei denen, welche am Orte der Weisheitsliebe nachgingen, nach dem Geschlecht, ich und meine Gattin; ich verweilte in der Männerwohnung, der dein Bruder Petrus vorstand; sie befand sich in der Jungfrauenabteilung bei der Heiligen. Und nachdem inzwischen eine gehörige Zeit verflossen war, hielten wir es für angemessen, die Einsamkeit wieder zu verlassen. Und schon rüsteten wir uns zum Aufbruch, da wurde uns von beiden Seiten in gleicher Weise eine freundliche Aufmerksamkeit zuteil. Mich hieß nämlich dein Bruder, zu bleiben und am Tisch der Mönche teilzunehmen. Die Selige aber ließ meine Gattin nicht fort, sondern drückte das Töchterlein an ihren Busen und erklärte, es nicht herauszugeben, bis sie ihnen den Tisch bereitet und sie mit dem Reichtum der Weisheitsliebe1 bewirtet hätte; S. 367 als sie aber das Kind, wie es so Brauch ist, liebkoste und auf seine Augen küßte, bemerkte sie das Übel an der Pupille und sprach: „Wenn ihr mir den Gefallen erzeiget und an unserem Tische teilnehmet, will ich euch für solche Ehre ein nicht unwürdiges Gegengeschenk geben.“ Als dann die Mutter des Mädchens fragte: „Was für eines?“ erklärte die Hohe: „Ich besitze ein Mittel, das imstande ist, das Augenleiden zu heilen.“ Da mir hierüber von der Frauenabteilung durch einen, der jenes Versprechen verriet, Botschaft zukam, so blieben wir gerne, ohne uns viel um die drängende Notwendigkeit der Abreise zu kümmern.
D. i. der klösterlichen Gemeinschaft. ↩
