4.
[Forts. v. S. 339 ] Das Kind wurde nun aufgezogen. Obwohl es seine besondere Wärterin hatte, wartete ihm doch meistens die Mutter mit eigenen Händen ab. Als es dann das erste Kindesalter überschritten hatte, übte es sich in Erlernung des elementaren Unterrichtsstoffes. Und was das Mädchen nach dem Urteil der Eltern lernen mußte, darin zeichnete sich seine Begabung aus. Die Mutter war aber bestrebt, das Mädchen auszubilden, jedoch nicht nach dieser weltlichen und enzyklischen Bildung, bei der die jüngsten Altersklassen der Zöglinge zumeist mit Hilfe der Dichterwerke unterwiesen werden. Denn sie hielt es für schimpflich und gänzlich ungeziemend, mit den Schreckensszenen der Tragödie, für welche oft das Leben der Frauen den dichterischen Ausgangspunkt und Stoff abgibt, oder mit den Unanständigkeiten der Komödie die zarte und empfängliche Natur zu belehren, da sie durch die gar schamlosen Weibergeschichten gewissermaßen beschmutzt worden wäre. Vielmehr dienten die Teile der gotterleuchteten Schrift, welche für die erste Jugendzeit faßlicher erscheinen, dem Kind als Unterrichtsstoff, zumeist die Weisheit Salomos und auch von dieser vor allem das, was sich auf unser sittliches Leben bezieht. Auch das Psalmenbuch blieb ihr durchaus nicht unbekannt, indem sie zu gewissen Zeiten immer einen Teil davon durchging: wenn sie vom Lager aufstand und die Arbeit begann und wieder davon ausruhte, wenn sie die Mahlzeit einnahm und vom Tisch sich erhob, zu Bett ging und zum Gebet aufstand, überall hatte sie den Psalter bei sich wie einen lieben Gefährten, der sie zu keiner Zeit verließ.