78.
1. Ein sorgloses Leben soll man nie durch Beschäftigung mit eitlen Dingen erkaufen. Denn kein Verständiger wird das Angenehme dem Guten vorziehen. Aber, so sagt man, wir sind nicht alle Philosophen. Streben wir demnach etwa auch nicht alle nach dem Leben? Was sagst du? Wie bist du denn zum Glauben gekommen? Wie liebst du ferner Gott und deinen Nächsten,1 wenn du nicht Philosoph bist? Und wie liebst du dich selbst, S. a203 wenn du das Leben nicht liebst?
2. Ich habe, so sagt man, nicht lesen gelernt. Aber wenn du auch das Lesen nicht gelernt hast, so kannst du hinsichtlich des Hörens keine Entschuldigung vorbringen, denn dies wird nicht gelehrt. Und der Glaube ist nicht Besitz derer, die nach der Welt weise sind,2 sondern derer, die nach Gott weise sind. Er wird aber auch ohne Schriftzeichen gelehrt; und sein Schriftwerk, zugleich für Unwissende geeignet und göttlicher Art, heißt Liebe, ein geistliches Werk
3. Es ist aber möglich, göttliche Weisheit zu hören; aber auch sein Leben (ihr entsprechend) zu führen ist möglich; es steht aber auch dem nichts im Wege, daß man die Dinge in der Welt ehrbar nach Gottes Willen treibt.
4.3 Und wer etwas verkauft oder einkauft, der sage nie zwei Preise für das, was er kaufen oder verkaufen will, sondern er nenne nur einen einfachen Preis und sei darauf bedacht, die Wahrheit zu sagen; und wenn er den Preis nicht erlangt, so erlangt er doch die Wahrheit und ist reich durch seine rechtschaffene Gesinnung.
Vgl Matth. 22, 37, 39 u.ö. ↩
Vgl. 1 Kor. 1,26 f. ↩
78, 4 und der erste Satz von 79, 1 zum Teil wörtlich aus Platon, Gesetze XI p. 917 BC, wo aber nichts über das Erlangen der Wahrheit gesagt, sondern gefordert ist, daß man eine Ware, für die man den geforderten Preis nicht erhält, vom Markte nehmen und nicht am gleichen Tage zu einem anderen Preise anbieten soll. ↩
