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1. Solche Leute werden aber in Wirklichkeit nicht morgen sterben; vielmehr sind sie Gott schon gestorben, da sie ihre Toten begraben,1 d.h. sich selbst in das Grab des Todes versenken. Aber mit überaus großer Schärfe tritt ihnen der Apostel entgegen: „Irret euch nicht: weder Ehebrecher noch Lustknaben noch Knabenschänder noch Diebe noch Gewinnsüchtige, nicht Trunkenbolde, nicht Lästerer“, und was er sonst noch hinzufügt, „werden das Reich Gottes erben.“2
2. Wenn wir aber ins Reich Gottes berufen sind, so laßt uns auch würdig des Reiches wandeln,3 indem wir Gott und den Nächsten lieben.4 Die Liebe wird aber nicht nach einem Kuß, sondern nach der liebevollen Gesinnung beurteilt. Sie aber S. a206 lassen nur von dem Lärm ihrer Küsse die Kirchen widerhallen, dagegen wohnt die Liebe nicht in ihnen.
3. Denn in der Tat hat auch dies, nämlich die Sitte, den Kuß ohne Hemmung und Maß zu verwenden, überall schimpflichen Verdacht und üble Nachrede hervorgerufen, da ja der Kuß etwas Geweihtes sein sollte („heilig“5 hat ihn der Apostel genannt), indem die Seele die liebevolle Gesinnung durch den keuschen und geschlossenen Mund kundgibt, der das beste Kennzeichen eines sanften Wesens ist.
4. Es gibt aber auch einen anderen, unheiligen Kuß, voll von Gift, der heiliges Wesen nur heuchlerisch vortäuscht. Wißt ihr denn nicht, daß auch die Spinnen, wenn sie nur den Mund berühren, den Menschen die heftigsten Schmerzen bereiten, die Küsse aber oft das Gift der Zuchtlosigkeit einflößen?6
