13. Streit über die Auferstehung
In diesen Tagen trat einer von unfern Priestern auf, sso der, angefressen von dem Gifte der saducäischen Irrlehre,(1) behauptete, es gebe keine zukünftige Auferstehung. Und als wir ihm sagten, daß sie sowohl in den heiligen Schriften gelehrt werde, wie auch in der apostolischen Überlieferung begründet sei, antwortete er: „Es ist ganz richtig, daß man dies allgemein meint, aber wir wissen doch nicht gewiß, ob dem so ist oder nicht. Denn so spricht ja vor allem Gott in seinem Zorne zu dem ersten Menschen, den er mit seiner heiligen Hand gebildet hatte: ,Jm Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis daß du wieder zur Erde werdest, davon du genommen bist; denn du bist Erde und sollst zur Erde werden'(2) Was wollt ihr hierzu sagen, die ihr die zukünftige Auferstehung Prediget, da die Gottheit ja nicht verspricht, daß der Mensch, wenn er Staub geworden sei, in der Folge wieder auferstehe?" Da sprach ich zu ihm: „Was über diesen Punkt die Worte unseres Herrn und Heilandes und der Väter besagen, die uns vorangingen, ist, wie ich glaube, keinem Rechtgläubigen unbekannt. Nach dem ersten Buche Mose sprach der Herr, als die Erzväter starben: ,Du wirst in einem ruhigen Alter sterben und gesammelt werden zu deinem Volke'(3) Und zu Kain wird gesagt:
S. 110 »Die Stimme deines Bruders Blut schreiet zu mir von der Erde'(1) Daraus geht augenscheinlich hervor, daß die Seelen leben, nachdem sie den Körper verlassen, und der zukünftigen Auferstehung hoffend entgegensehen. Es steht ferner von Hiob geschrieben, daß er auferstehen werde bei der Auferstehung der Toten. Auch David sieht als Prophet, der in der Person des Herrn spricht, doch die Auferstehung voraus und sagt: »Wenn er liegt, soll er nicht wieder aufstehen?'(2) das heißt, wenn er vom Schlaf des Todes überwältigt wird, soll er nicht zur Auferstehung gelangen? Auch Jesaias lehrt, daß die Toten auferstehen werden ans den Gräbern. Und der Prophet Hesekiel, wenn er sagt, daß die verdorrten Gebeine mit Haut überzogen, mit Fleisch und Adern bekleidet, von dem Hauche des Odems beseelt und der Mensch neugebildet werde,(3) lehrt ganz offenbar die künftige Auferstehung. Wie auch das ein klarer Beweis für die Auferstehung ist, daß, als der Leichnam eines Verstorbenen die Glieder des Elisa berührtes(4) der Leichnam durch seine Wunderkraft wieder zum Leben gelangte. Dies tut auch die Auferstehung des Herrn selbst dar, welcher der Erstgeborene der Toten(5) ist, der dem Tode den Tod gab und durch sein Blut den Toten das Leben wiedergewann. Hierauf sagte der Priester: „Daß der Herr, als er menschliche Gestalt angenommen, gestorben und auferstanden sei, bezweifle ich nicht; das aber kann ich nicht zugeben, daß auch die ändern, die sterben, auferstehen". Ich antwortete: „Und weshalb mußte denn sonst Gottes Sohn vom Himmel herniederkommen, das Fleisch annehmen, in den Tod gehen und in die Hölle dringen, wenn nicht deshalb, daß er den Menschen, den er gebildet hatte, nicht in ewigem Tode um- S. 111 kommen ließe? Auch die Seelen der Gerechten, welche bis zu seinem Leiden in dem Gefängnis der Hölle eingeschlossen waren, sind ja durch seine Erscheinung aus dem Grabe befreit worden. Denn er stieg hinab zur Hölle, zerstreute die Finsternis durch das Licht, das neu hereinbrach, und führte ihre Seelen heraus, daß sie nicht ferner solche Qualen erleiden sollten, wie es heißt: ,Und in seinem Grabe werden die Toten auferstehen'."(1) Der Priester sprach: „Wie aber können denn die Gebeine, die in Asche zerfallen sind, wieder beseelt werden und ein lebendiger Mensch aus ihnen erstehen?" „Wir glauben", antwortete ich, „daß wenn auch der Mensch zu Staub wird und dieser über Land und Meer von dem Brausen des Sturmwinds zerstreut wird, es Gott doch nicht schwer fällt, seine Gebeine wieder zum Leben zu erwecken." Der Priester erwiderte darauf: „Darin, glaube ich, fehlt ihr besonders, daß ihr mit süßen Worten kecklich die verführerische Lehre und Behauptung anfzustellen wagt, daß auch wer von wilden Tieren zerrissen oder im Wasser umgekommen und von dem Rachen der Fische verschlungen und zu Kot geworden und durch die Ausleerung des Körpers ausgeworfen oder wer in fließenden Gewässern verwest oder in der faulenden Erde vermodert ist, zur Auferstehung gelangen werde". Hierauf sagte ich: „Du scheinst vergessen zu haben, was der Evangelist Johannes, der an der Brust des Herrn ruhte(2) und die Geheimnisse der Gottheit ergründete, in der Offenbarung sagt: ,Und das Meer gab die Toten die darinnen waren'(3) Hieraus ist klar, daß was von dem Körper eines Menschen ein Fisch verschluckt, ein Vogel zerrissen oder ein wildes Tier verschlungen hat, von dem Herrn bei der Auferstehung ersetzt und hergestellt S. 112 werden wird; denn ihm, der aus dem Nichts das Unerschaffene gemacht hat, ist es leicht, das Verlorene wiederzugeben; und so ganz und vollständig wird er es wieder Herstellen, wie es zuvor war, daß der Leib, wie er in dieser Welt war, nach seinem Verdienst Strafe oder Lohn gewinnt. Denn so spricht der Herr selbst im Evangelium: ,Es wird je geschehen, daß des Menschen Sohn komme in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln, und alsdann wird er einem jeglichen vergelten nach seinen Werken(1) Auch Martha sagte, als sie zweifelte, ob ihr Bruder Lazarus sofort auferstehen werde: ,Jch weiß Wohl, daß er auferstehen wird in der Auferstehung am jüngsten Tage*. Und der Herr sprach zu ihr: ,Jch bin die Auferstehung, der Weg, die Wahrheit und das Leben"'(2) Der Priester er-widerte hierauf: „Wie kann denn aber im Psalme gesagt werden: »Darum bleiben die Gottlosen nicht im Gericht?'"(3) Und ich antwortete: „Sie bleiben nicht, um zu richten, sie bleiben aber, um gerichtet zu werden. Denn der Richter kann nicht mit den Gottlosen sitzen, wenn er Rechenschaft fordern soll von ihren Taten". „Der Herr aber", sagte er, „spricht im Evangelium: ,Wer nicht glaubet, der ist schon gerichtet(4) er meint also, daß ein solcher die Auferstehung nicht erlangen wird." Ich antwortete: „Er ist schon gerichtet und soll die ewige Strafe erleiden, weil er nicht glaubte an den eingeborenen Sohn Gottes, aber dennoch wird er auferstehen im Leibe, um im Fleische, in dem er gesündigt, seine Strafe zu leiden. Denn es kann das Gericht nicht gehalten werden, wenn nicht zuvor die Toten auferstehen. Und wie jene, die im Glauben verstorben sind, der Himmel umfängt, wie wir glauben, sie, von S. 113 deren Gräbern oftmals die Kraft des Wunders ausgeht, so daß die Blinden durch sie sehend, Lahme gehend, Aussätzige gereinigt werden und andre Heilungen den Armen auf ihr Gebet widerfahren, so glauben wir auch, daß die Sünder in dem Gefängnis der Hölle bis zum Gerichte aufbewahrt werden". Und der Priester sagte: „Wir lesen aber im Psalme: ,Es fährt ein Windhauch über den Menschen dahin, und er ist nimmer da, und seine Stätte kennet er nicht mehr'"1 Ich antwortete: „Das geht auf das, was der Herr selbst im Gleichnisse zu dem Reichen sagte, den die Flammen der Hölle peinigten: ,Du hast dein Gutes empfangen in deinem Leben, und Lazarus dagegen hat Böses empfangen'2 Denn jener Reiche wußte nun nichts mehr von seinem Purpur und seiner köstlichen Leinwand, noch von den Leckerbissen des Mahls, die ihm Luft, Erde und Meer geliefert hatten, so wie Lazarus nichts mehr von den Wunden und Schwären, so er ertrug, als er vor der Türe jenes lag, da er jetzt im Schöße Abrahams ruhte, während jener Pein in den Flammen litt." Der Priester sprach: „Wir lesen aber in einem andren Psalm: ,Denn des Menschen Geist muß davon, und er muß wieder zur Erde werden; alsdann sind verloren alle seine Anschläge'3 Darauf antwortete ich: „Ganz richtig, denn wenn der Lebenshauch den Menschen verlassen hat und er tot daliegt, denkt er nicht mehr an das, was er in dieser Welt zurückgelassen hat. Er denkt zum Beispiel nicht mehr an bauen, pflanzen, den Acker bestellen; er denkt nicht mehr daran, Gold, Silber oder andere Schätze dieser Welt zu sammeln. Solche Gedanken haben den abgestorbenen Leib verlassen, weil kein Lebenshauch mehr in ihm ist. Wie zweifelst du aber an der Auferstehung, da sie doch der Apostel Paulus, durch den, wie S. 114 er selbst sagt, Christus sprach, ganz klar lehrt? Denn er sagt: .So sind wir je mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf daß, gleichwie Christus ist auferwecket von den Toten, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln.'4 Und abermals : .Wir werden alle auferstehen, aber wir werden nicht alle verwandelt werden. Denn es wird die Posaune schallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden'5 Und abermals: .Ein Stern übertrifft den andren nach der Klarheit, also auch die Auferstehung der Toten'. Und ebendaselbst: ,Es wird gesäet verweslich und wird auferstehen unverweslich usw.'6 Und ebendaselbst: .Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, auf daß ein jeglicher empfange, nachdem er gehandelt hat bei Leibes Leben, es sei gut oder böse'7 Ganz deutlich aber weist er auf die zukünftige Auferstehung hin in dem, was er an die Thessalonicher schreibt, wo es heißt: .Wir wollen euch aber, liebe Brüder, nicht verhalten von denen, die da schlafen, auf daß ihr nicht traurig seid, wie die andren, die keine Hoffnung haben. Denn so wir glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird Gott auch, die da entschlafen sind durch Jesum, mit ihm führen. Denn das sagen wir euch, als ein Wort des Herrn, daß wir, die wir leben und überbleiben in der Zukunft des Herrn, werden denen nicht Vorkommen, die da schlafen. Denn er selbst, der Herr, wird mit einem Feldgeschrei und Stimme des Erzengels und mit der Posaune Gottes herniederkommen vom Himmel, und die Toten in Christo werden auferstehen zuerst. Darnach wir, die wir leben und überbleiben, werden zugleich mit denselbigen hingerückt werden in den Wolken, S. 115 dem Herrn entgegen in der Luft, und werden also bei dem Herrn sein allezeit. So tröstet euch nun mit diesen Worten untereinander'8 So gibt es viele Zeugnisse, welche dies bekräftigen. Ich sehe jedoch nicht ein, weshalb du an der Auferstehung zweifelst, welche die Heiligen um ihrer Verdienste willen erwarten, die Sünder fürchten wegen ihrer Schuld. Denn auch die Natur, die wir sehen, lehrt ja diese Auferstehung,9 da die Bäume, welche im Sommer mit Blättern bedeckt sind, wenn der Winter kommt, sich entkleiden, und kehrt der Frühling zurück, gleichsam wieder erstehen und sich mit demselben Blätterschmuck, den sie zuvor gehabt haben, wieder bekleiden. Dies zeigen auch die Samenkörner, die in die Erde gestreut werden; legt man sie in die Furchen, so erstehen sie, wenn sie gestorben sind, und bringen vielfältige Frucht, wie der Apostel Paulus sagt: ,Du Narr, das du säest, wird nicht lebendig, es sterbe denn'10 Dies alles ist der Welt vor die Augen gestellt, daß sie an die Auferstehung glauben soll. Denn wenn es keine zukünftige Auferstehung gibt, was nützt es denn den Gerechten redlich zu leben, und was schadet den Sündern ihr Leben in Ungerechtigkeit? Gäbe es keine zukünftige Auferstehung, so könnten alle dahinfahren in ihren Gelüsten, und ein jeder tun, was ihm beliebt. Oder fürchtest du, Gottloser, nicht, was der Herr zu den heiligen Aposteln sagte? ,Wenn des Menschen Sohn', spricht er, »kommen wird in seiner Herrlichkeit, werden vor ihm alle Völker versammelt werden, und er wird sie voneinander scheiden, gleich als ein Hirte die Schafe von den Böcken scheidet, und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken. Und er wird zu diesen sagen: »Kommet her, ihr S. 116 Gesegneten, ererbet das Reich', und zu jenen: ,Gehet hin von mir, ihr Übeltäter'. Und wie die Schrift weiter lehrt, »diese werden in die ewige Pein gehen, aber die Gerechten in das ewige Leben'11 Glaubst du also, daß eine Auferstehung der Toten sein wird und ein Gericht über die Werke der Menschen, wo der Herr also tun wird? Die Antwort mag dir, wie den andren Ungläubigen, der Apostel Paulus geben, der spricht: »Ist Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich'12 Da ging der Priester zerknirscht von uns und versprach nach den Worten der heiligen Schrift, die wir oben angeführt haben, an die Auferstehung zu glauben.
Psalm 103, 16. Die Lutherische Übersetzung weicht von der lateinischen ab. ↩
ev. Luc. 16. 2b. ↩
Psalm 146, 4. ↩
Röm. 6, 4. ↩
- Corinth. 1b, 51. 52. Auch hier weicht Luther von der lateinischen Übersetzung ab.
- Corinther 15. 41-42.
- Corinth. 6, 10.
- Thessal. 4. 13-18.
Vgl. 'zu dem folgenden Gedankengang den Pseudo.augustinischen Lsrrno VIX XXXIX, 1961 f.), Gregors d. Großen ßlorsUo. XV. 19 (das. HXV, 739). ↩
- Eorinth. 15,36.
Matth. 25. 31-46. ↩
- Torinth. 15. 14. Luk. 13, 27.
