28. Von dem Hochmuthe eines Bruders.
[Forts. v. S. 266 ] Ich hörte gerade in unserem Lande (mit Schauder nur und Scham kann ich es erzählen) von einem Novizen, welcher auf die Frage seines Abtes, warum er die Schranke der Demuth, die er nach seiner Aufnahme nur sehr kurze Zeit eingehalten, zu überschreiten wage und sich von teuflischem Stolze aufblähen lasse, ganz trotzig antwortete: „Hab’ ich vielleicht deßhalb eine Zeit lang mich verdemüthigt, um immer unterthan zu sein?“ Bei seiner so frechen und frevelhaften Antwort wurde der Vorsteher, gleichsam als habe er vom alten Lucifer selbst, nicht von einem Menschen diese Worte sprechen hören, dermaßen bestürzt und stockte seine ganze Rede, daß gegen diese so große Frechheit sein Mund keine Worte hervorbringen, sondern sein Herz nur Seufzer und Stöhnen hervorstoßen konnte. Er erwog nur das schweigend bei sich, was von unserm Heilande gesagt wird:1 „Als er in der Gestalt Gottes war, demüthigte er sich und wurde gehorsam (nicht, wie Jener, vom teuflischen Geiste der Hoffart eingenommen, sagte, „eine Zeit lang,“ sondern) bis zum Tode.“
Phil. 2, 6 f. ↩
