7.
Lies fleißig in der Hl. Schrift, nie sollen Deine Hände die heilige Lesung beiseite legen! Was Du lehren willst, lerne zuvor selbst! „Halte fest an dem der Lehre entsprechenden zuverlässigen Wort, damit Du imstande bist, in der gesunden Lehre zu unterrichten und die Gegner zu widerlegen. 1 Verharre fest bei dem, was Du gelernt hast und was Dir anvertraut worden ist, weil Du weißt, von wem Du es gelernt hast, 2 stets bereit zur Verantwortung vor jedem, der von Dir Rechenschaft fordert über Deine Hoffnung.“ 3 Handlung und Wort sollen zueinander nicht in Gegensatz treten. Es könnte sonst, wenn Du in der Kirche predigst, der eine oder andere im stillen fragen: „Warum tust Du nicht selbst, was Du predigst?“ S. 136 Das ist ein merkwürdiger Lehrer, der bei vollem Bauche vom Fasten predigt. Auch der Straßenräuber kann eine Anklage wegen Habsucht vorbringen. Des Priesters Mund und Herz müssen miteinander in Einklang stehen.
Deinem Bischof sei gefügig und sieh in ihm Deinen geistigen Vater! Der Sohn liebt, der Sklave fürchtet. Wir lesen: „Wenn ich Vater bin, wo ist dann meine Ehre? Wenn ich Herr bin, wo bleibt die Furcht vor mir?“ 4 In demselben Manne mußt Du den Mönch, Deinen Bischof und Deinen Oheim sehen. — Freilich mögen auch die Bischöfe daran denken, daß sie Priester und nicht Herren sind. Sie sollen im Priester den Priester ehren, damit ihnen auch von den Priestern die ihnen als Bischöfen gebührende Ehre zuteil werde. Bekannt ist jener Ausspruch des Redners Domitius: „Warum soll ich Dich als Fürsten behandeln, wo Du mich nicht als Senator behandelst?“ 5 Seien wir uns darüber klar, daß der Bischof zu seinen Priestern im gleichen Verhältnis steht wie Aaron zu seinen Söhnen. Sie bekennen einen Gott, dienen in einem Tempel und haben ein Amt zu versehen. Bedenken wir immer, was der Apostel Paulus den Priestern gebietet: „Weidet die euch anvertraute Herde des Herrn! Traget für sie Sorge nicht aus Zwang, sondern gern gemäß Gottes Wort, nicht schnöden Gewinnes wegen, sondern aus willigem Herzen! Seid nicht herrschsüchtig gegenüber den Geistlichen, sondern erweist euch aus innerster Überzeugung als Vorbild der Herde, damit ihr, wenn der Fürst der Hirten erscheint, die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfanget.“ 6 Es ist ein schlechter Brauch, der sich an einigen Kirchen eingeschlichen hat, daß die Priester in Gegenwart des Bischofs schweigen und nicht S. 137 predigen, 7 der sich zum Teil auf Eifersucht, zum Teil auf Geringschätzung zurückführt. Schreibt nicht der Apostel Paulus: „Wenn aber einem anderen, der da sitzt, eine Offenbarung zuteil wird, so soll der erste schweigen. Denn ihr könnt alle, einer nach dem andern, weissagen, damit alle lernen und alle getröstet werden. Und der Geist der Propheten ist den Propheten unterworfen. Ist ja doch Gott nicht ein Gott der Uneinigkeit, sondern des Friedens.“ 8 Eine Ehre für den Vater ist ein weiser Sohn. 9 Der Bischof soll sich über sein weises Urteil freuen, wenn er tüchtige Leute zum Priestertum Christi auserwählt hat.
Tit. 1, 9. ↩
2 Tim. 3, 14. ↩
1 Petr. 3, 15. ↩
Mal. 1, 6. ↩
Cicero, De orat. III 1, 4; Quintilian, Instit. orat. VIII 3, 89; XI 1, 37; Valerius Maximus VI 2, 2. Hieronymus verwechselt Cn. Domitius Ahenobarba mit L. Lic. Crassus, dessen Kollegen im Censorenamt, der diese Worte an den Konsul Philippus richtete. ↩
1 Petr. 5, 2 ff. ↩
Dies war besonders in Afrika nach einem Beschluß des vierten Konzils zu Karthago der Fall, der an sich den Presbytern das Recht zu predigen zusprach. (Vgl. hierzu und zu dem angezweifelten Konzil Schubert, Eine altchristliche Pastoralinstruktion, Weidenauer Studien II [1908] 320). Dem Bischof Valerius zu Hippo machten es 391 einige afrikanische Bischöfe zum Vorwurf, daß er Augustinus, noch dazu in seiner Gegenwart, hatte predigen lassen. Als Bischof Aurelius von Karthago dieser Unsitte ein Ende machte, dankten ihm Augustinus und Alypius (ep. 41, 1. — CSEL XXXIV 81 f. [Goldbacher]; vgl auch Possidius von Calama, Vita sancti Aurelii Augustini 5 (M PL XXXII 37). ↩
1 Kor. 14, 30 ff. ↩
Sprichw. 10, 1; 15, 20. ↩
