16.
Geschenke wollen wir niemals erbitten und nur selten annehmen, wenn wir darum ersucht werden. Ich weiß nicht, woher es kommt, daß selbst der, welcher Dich um die Annahme eines Geschenkes ersucht, Dich geringer einschätzt, wenn Du es annimmst, und Dich sonderbarerweise mehr achtet, wenn Du es ausschlägst. Der Herold der Enthaltsamkeit soll sich ferner nicht mit Heiratsvermittlung abgeben. Warum soll der, welcher beim Apostel die Worte liest: „Es bleibt nur übrig, daß die, welche Frauen haben, so sind, als hätten sie keine“, 1 eine Jungfrau zur Heirat drängen? Warum soll gerade er, der als Priester auf eine zweite Ehe verzichtet hat, einer Witwe einreden, wieder zu heiraten? Wie können Geistliche Geschäftsführer und Verwalter fremder Häuser und Landgüter sein, wo sie die Pflicht haben, auf eigenen Besitz zu verzichten? Einem Freunde etwas entwenden ist Diebstahl, die Kirche betrügen ist Gottesraub. Hast Du etwas bekommen, um es unter die Armen zu verteilen, dann sei in den Tagen der Hungersnot nicht allzu vorsichtig und furchtsam! Gar etwas davon einzustecken, wäre ein offenkundiges Verbrechen, das hinter der Grausamkeit S. 147 keines Räubers zurücksteht Ich werde vom Hunger gepeinigt, und Du willst bestimmen, wie viel mein Magen nötig hat? Verteile sofort, was Du bekommen hast! Bist Du aber ängstlich im Austeilen, dann veranlasse den Geber, seine Gabe selbst zu verteilen. Ich will doch nicht, daß aus meinem Besitze Dein Beutel voll werde. Niemand kann das, was mein ist, besser verwahren als ich selbst. Das ist der beste Verwalter der für sich nichts behält.
1 Kor. 7, 29. ↩
