34. Das zwölfte Buch bekämpft ausführlicher die arianische Irrlehre. Der Sohn Gottes sei so geboren worden, daß er immer gewesen sei.1
Weil wir aber die bei jeder Art von wissenschaftlicher Lehre gemachte Beobachtung wohl bedachten, daß, wenn einige vorerst nur in behutsamer Übung und in langer Beschäftigung mit den niedrigeren Gegenständen der Wissenschaft erzieherisch gebildet worden sind, sie dann zur Bewährung dessen, worin sie geschult wurden, ausgesandt werden; daß, wenn sie schon tüchtig im Kriegsspiel sind, sie auch zum eigentlichen Kriegsdienst herangezogen werden; oder, wenn sie in gerichtlichem Streit an schülerhaften Gegenständen sich versucht haben, sie dann auch zu den Kämpfen der Gerichtshöfe gesandt werden; oder, wenn auf heimischem S. 99 Gewässer der Seemann furchtlos das Schiff gelenkt hat, daß er dann den Stürmen des großen und fremden Meeres überlassen werde: genau das gleiche haben wir bei dieser ganz wichtigen und schwerwiegenden Erkenntnisfrage zu tun uns bemüht. Denn nachdem wir vorerst von den leichten Anfängen an mit der Geburt, mit dem Namen, mit der Göttlichkeit den noch zarten Glauben vertraut gemacht und in allmählichem Fortgang die Bemühungen der Leser bis dahin erhoben haben, wo die Vorwände der Häretiker insgesamt von Grund aus entwurzelt werden sollten: da erst haben wir sie bis zu dem Kampfplatz des ruhmreichen und großen Ringens hingeführt. Denn in demselben Maß, als der menschliche Geist mit der Erkenntnis seiner gewöhnlichen Fassungskraft unfähig ist, eine völlige Einsicht der göttlichen Geburt zu erlangen, soll er auf göttliche Bemühung sich stützen, um das zu erkennen, was jenseits der Reichweite unseres Wesens liegt. Darum haben wir ganz besonders die Frage klarzustellen uns bemüht, die zwar auf Grund der Schwachheit weltlicher Weisheit überhaupt da ist, aber doch vom Herrn Jesus mit Recht sagen zu dürfen glaubt: „Es gab (eine Zeit), da er noch nicht war”, und: „Er war nicht, bevor er geboren wurde”, und: „Aus Nichtseiendem ist er gebildet worden”. Weil eine Geburt diese Tatsache vorauszusetzen schien, daß Dasein gewinne, wer (vor der Geburt) nicht war, und er geboren werde, da er noch kein Dasein habe, (so war ihre Absicht,) deswegen auch den eingeborenen Gott dem Erlebnis des Zeitablaufs zu unterwerfen [als ob der Glaube selbst und das Wesen der Geburt es zeige, er sei einmal nicht gewesen] und daraufhin auch zu sagen, er sei aus dem Nicht-sein heraus geboren worden, weil eine Geburt demjenigen das Sein gebe, das vorher nicht war.
Wir dagegen lehren auf Grund der apostolischen und evangelischen Zeugnisse, daß immer der Vater, daß immer der Sohn Dasein habe; wir werden nachweisen, daß S. 100 der Herr aller Dinge nicht erst nach irgend etwas, sondern vor allem anderen Dasein habe; daß also nicht die Verwegenheit dieser gottlosen Meinung ihm zur Last falle, daß er aus Nichtseiendem geboren wurde und daß er nicht gewesen sei, ehe er geboren wurde. (Wir werden vielmehr nachweisen,) daß er so immer gewesen sei, daß wir (zugleich) ihn als Geborenen verkünden; daß er aber so geboren worden sei, daß wir auch sein immer gewesenes Dasein klarlegen. In ihm soll nicht die Ausnahmestellung eines Nicht-geborenwerden-könnens bestehen, sondern die Ewigkeit der Geburt; und die Geburt hat einen Urheber, noch auch entbehrt die Gottheit der Ewigkeit.
Die Inhaltsangabe für das zwölfte Buch zieht sich bis Kap. 36 hin. ↩
