20. Er lehrt mit dem Gleichnisse eines tüchtigen Geldwechslers, wie unsere Gedanken zu unterscheiden seien.
S. a314 Diese dreifache Art müssen wir also beständig beachten und alle Gedanken, die in unserm Herzen aufsteigen, mit kluger Unterscheidung durchforschen, indem wir ihrem Entstehen, ihren Ursachen und Urhebern von Anfang an nachspüren, damit wir erwägen können, wie wir uns gegen sie zu verhalten haben gemäß dem Werthe Derjenigen, die sie uns eingaben, und damit wir so nach dem Gebote des Herrn tüchtige Wechsler werden. Diese haben die beste Erfahrung und Schule, zu Prüfen, was ganz reines Gold ist, feuererprobtes, wie man sagt, oder welches weniger durch die Läuterung des Feuers ausgebrannt ist; sie sind auch geübt, sich durch den ehernen werthlosen Denar, wenn er eine werthvolle Münze durch die Farbe des glänzenden Geldes nachahmen soll, bei ihrer so vorsichtigen Unterscheidung nicht täuschen zu lassen und nicht nur die Münzen, welche das Bild der Herrscher zeigen, richtig zu erkennen, sondern auch diejenigen mit noch größerer Gewandtheit herauszufinden, welche zwar mit dem Bilde des wahren Königs, aber nicht gesetzmäßig geprägt sind. Ferner pflegen sie durch die Entscheidung der Waage fleissig zu untersuchen, ob den Münzen nicht von ihrem gesetzlichen Gewichte Etwas genommen sei. Daß wir Dieß alles geistiger Weise beobachten sollen, lehrt uns das Wort des Evangeliums unter dem genannten Gleichnisse. Zuerst, daß wir, was immer sich in unser Herz geschlichen hat, oder was uns als Lehrsatz zugemuthet wird, auf das Sorgfältigste prüfen, ob es durch jenes göttliche und himmlische Feuer des heiligen Geistes gereinigt sei oder zu dem jüdischen Aberglauben gehöre oder der Aufgeblasenheit der weltlichen Philosophie entstamme und so nur auf der Oberfläche Frömmigkeit zeige. Das können wir einhalten, wenn wir uns nach jenem apostolischen Worte richten: „Glaubet nicht jedem Geiste, sondern prüfet die Geister, ob sie aus S. a315 Gott sind.“ 1 In dieser Hinsicht sind auch Jene getäuscht worden, welche nach Ablegung des Klostergelübdes sich anlocken ließen durch den Glanz der Rede und einige Lehrsätze der Philosophen, welche auf den ersten Blick die Zuhörer durch einen gewissen frommen und mit der Religion harmonirenden Sinn wie durch den Glanz des Goldes täuschen, aber die einmal durch den Schein Verlockten, gleichwie die durch eherne und falsche Münzen Betrogenen, für immer arm und elend machen, indem sie dieselben entweder in den Lärm der Welt zurückrufen oder zu häretischen Irrthümern und aufgeblasener Anmaßung verleiten. Das ist, wie wir im Buche Jesu Nave 2 lesen, auch dem Achan 3 widerfahren, der aus der Stadt der Fremdlinge eine goldene Stange gierig wünschte und stahl, und der dafür nach Verdienst mit dem Fluche geschlagen und mit ewigem Tode bestraft wurde. 4 Zweitens müssen wir sorgfältig aufmerken, daß nicht eine dem reinsten Golde der hl. Schrift beigefügte verkehrte Auslegung uns durch die Kostbarkeit des Metalles täusche. Darin suchte ja der schlaue Teufel selbst unsern Herrn und Erlöser wie einen bloßen Menschen zu betrügen, indem er Das, was allgemein von allen Gerechten zu verstehen ist, in boshafter Auslegung verdrehte und im Besondern auf den anzuwenden suchte, der des Schutzes der Engel nicht bedarf. „Er hat,“ sagt er, „seinen Engeln deinetwegen befohlen, daß sie dich beschützen auf allen deinen Wegen; auf den Händen werden sie dich tragen, damit du nicht je einmal an einen Stein stoßest deinen Fuß.“ 5
S. a316 Indem er nemlich die kostbaren Aussprüche der hl. Schriften mit schlauer Auffassung wendet und sie zu einem gegentheiligen und schädlichen Sinne verdreht, damit er uns das Gepräge des Tyrannenbildes unter der Farbe des täuschenden Geldes entgegenhalte, sucht er uns entweder mit falschen Münzen zu betrügen, indem er zum Eifer für ein frommes Werk mahnt, das unter dem Vorwande der Tugend zum Laster führt, weil es nicht aus der gesetzlichen Münzstätte der Väter hervorgeht; oder er führt uns zu einem schändlichen Ende, indem er uns mit unmäßigem, ungehörigem Fasten oder mit zu langen Nachtwachen oder mit ungeordneten Gebeten und unangemessener Lesung täuscht. Auch überredet er uns, mit Vermittlungen und frommen Besuchen uns abzugeben, um uns durch dieselben von den geistlichen Schranken des Klosters und dem Stillschweigen der trauten Ruhe zu lösen, und gibt uns wieder ein, die Angelegenheiten und Sorgen frommer und verlassener Frauen auf uns zu nehmen, damit er durch solche Fesseln den Mönch unlösbar verstricke und durch die Last gefährlicher Sorgen zerstreue. Gewiß ist es auch vom Teufel, wenn er uns anreizt, das heilige Amt des Klerus zu verlangen, unter dem Vorwande der Erbauung Vieler und aus Liebe zu geistigem Gewinn, wodurch er uns aber nur von der Demuth und Strenge unseres Vorsatzes abkehren will. Obwohl all Dieß unserm Heile und unserm Berufe entgegen ist, so täuscht es doch unter der Hülle einer gewissen Barmherzigkeit und Frömmigkeit leicht die Unerfahrenen und Unvorsichtigen. Denn es ist ähnlich den Münzen des wahren Königs, weil es für den Anfang voll Frömmigkeit scheint, aber es ist nicht geprägt von den gesetzlichen Münzern, d. i. den bewährten und katholischen Vätern, und geht nicht hervor aus der Haupt- und Amtswerkstätte ihres Unterrichts, sondern ist heimlich durch Teufelstrug gemacht und wird nicht ohne Nachtheil allen Unerfahrenen und Unwissenden in die Hände gespielt. Obwohl Dergleichen für den Augenblick nützlich und nothwendig scheinen mag, so ist es doch heilsam, es wie ein zwar nöthiges, aber Ärger- S. a317 niß gebendes Glied von uns abzuschneiden und wegzuwerfen, wenn es auch den Dienst der rechten Hand oder des Fußes zu leisten scheint, sobald es den ächten Grundlagen unseres Berufes entgegen zu sein anfängt und gleichsam den ganzen Körper unseres vorgesteckten Zieles wanken zu machen. Denn es ist besser, ohne das Glied eines Gebotes, d. i. ohne jene Thätigkeit oder jenen Erfolg, im Übrigen gesund und fest zu dauern und gleichsam schwach in’s Himmelreich einzugehen, als mit der Stärke eines solchen Gebotes in ein Ärgerniß zu fallen, das durch eine verderbliche Gewohnheit uns von der Regel der Strenge und der Zucht des angenommenen Vorsatzes trennen und in einen solchen Verlust bringen würde, der keineswegs die künftigen Nachtheile ausgleichen, sondern alle früheren Früchte und die ganze Masse unseres Wirkens im Feuer der Hölle brennen machen würde. Von dieser Art der Täuschungen ist auch in den Sprüchwörtern 6 schön gesagt: „Es gibt Wege, welche dem Menschen recht scheinen, aber ihr Ende führt in die Tiefe der Hölle.“ Und wieder: 7 „Der Böse schadet, wenn er sich mit dem Gerechten verbindet,“ d. i. der Teufel betrügt, wenn er sich mit der Farbe der Heiligkeit bedeckt. „Er haßt aber die Stimme des Beschützers,“ d. i. die Macht der Klugheit, welche aus den Worten und Ermahnungen der Väter kommt.
I. Joh. 4. ↩
Josue 7; I. Paralip. 2. ↩
Achan, später Achar wegen des Unglücks, das er über Israel gebracht hatte. ↩
Daß er mit dem ewigen Tode bestraft wurde, ist wohl eine zu strenge Ansicht des Mönches; denn Achan hatte sein Unrecht durch öffentliches und wohl reuiges Bekenntniß und durch seinen zeitlichen Tod vielleicht auch vor Gott gesühnt. Die heilige Schrift berechtigt nicht zu der Annahme des Moyses. ↩
Matth. 4. ↩
Sprüchw. 14, 12; 16, 25. ↩
Steht in der Vulgata Sprüchw. 11 kaum etwas annähernd; siehe Septuag. ↩
