5. Er zeigt an einem andern Beispiele, daß man sich genau nach einem Ziele richten müsse.
S. a292 Wenn Diejenigen, welche kriegerische Geschoße zu handhaben pflegen, vor einem Könige dieser Welt ihre Meisterschaft in dieser Kunst zeigen wollen, so suchen sie die Geschoße oder Pfeile in einem ganz kleinen Schild, der die Preise abgebildet enthält, einzubohren, da sie gewiß wissen, daß sie nicht anders als in der Linie ihres Zieles zu dem Endzweck des gewünschten Preises gelangen können, den sie allerdings nur dann in ihren Besitz bringen werden, wenn sie das vorgesteckte Ziel zu treffen vermochten. Wenn nun dieß zufällig ihrem Blicke entzogen worden ist, so werden, wie weit auch immer das leere Zielen der Unkundigen von dem rechten Schußwege abweichen mag, sie doch nicht merken, daß sie von der Richtung der vorgeschriebenen Linie abgekommen sind, weil sie kein bestimmtes Zeichen haben, das entweder die Trefflichkeit des Zielens bewähren oder die Unrichtigkeit überweisen würde. Wenn sie also unnütze Schüsse in die leere Luft abgegeben haben, so können sie nicht beurtheilen, worin sie gefehlt haben, und wo sie sich getäuscht haben, da sie kein Zeichen überführt, wie weit sie von der Richtung abgewichen seien, und der auf keinen bestimmten Gegenstand gerichtete Blick keine Norm lehren kann, worin sie sich nachher verbessern oder wohin sie sich zurückwenden müssen. So ist auch das Endziel unseres Vorhabens zwar das ewige Leben nach dem Apostel, der da sagt: 1 „Ihr habt euere Frucht in der Heiligung, zum Ende aber das ewige Leben;“ das nächste Ziel aber ist die Reinheit des Herzens, die er nicht mit Unrecht Heiligung nennt, ohne welche das genannte letzte Ziel nicht erreicht werden kann. Es ist, wie wenn er mit andern Worten gesagt hätte: Ihr habt zwar für euer nächstes Trachten die Reinheit des Herzens, zum Endzweck aber das ewige S. a293 Leben. Wo eben dieser hl. Apostel an einer andern Stelle von dieser Bestimmung lehrt, da drückt er sogar deutlich das Wort selbst, d. i. σκοπός, aus, indem er sagt: 2 „Was rückwärts liegt, vergessend, zu dem was vorwärts liegt, mich ausstreckend trachte ich nach dem Ziel zu dem Siegerlohn der himmlischen Berufung des Herrn.“ Im Griechischen steht noch klarer: κατὰ σκόπον διώκω, d. i. nach dem Ziele eile ich vorwärts; gleich als hätte er gesagt: Durch jenes Ziel, gemäß welchem ich das Vergangene vergesse, nemlich die Fehler des früheren Menschen, strebe ich zu dem Endziel des himmlischen Siegespreises zu gelangen. Was uns also immer zu diesem nächsten Ziele, der Reinheit des Herzens, leiten kann, das ist mit aller Kraft zu erstreben; was uns aber davon abzieht, ist als gefährlich und verderblich zu meiden. Denn für dieses dulden und thun wir Alles; für dieses werden Eltern, Vaterland, Würden, Reichthümer, Weltfreuden und alle Lust verachtet, damit nemlich die beständige Reinheit des Herzens bewahrt bleibe. Wenn wir uns also diese Bestimmung vorgezeichnet haben, so werden immer unsere Handlungen und Gedanken in geradester Richtung auf ihre Erreichung abzielen. Wenn sie nicht beständig uns vor Augen steht, so wird ihr Mangel nicht nur alle unsere Arbeiten leer und haltlos machen und dieselben vergebens und ohne jeden Erfolg herausnöthigen, sondern auch alle Gedanken in Verworrenheit und Widerspruch erregen. Denn nothwendig muß ein Geist, der Nichts hat, worauf er zurückkommen und dem er vorzüglich anhängen kann, jede Stunde und jeden Augenblick nach der Verschiedenheit dessen, was auf ihn eindringt, sich ändern und durch das, was sich aussen ereignet, sogleich in den Zustand verwandelt werden, der sich ihm zuerst darbietet.
