Fünftes Kapitel. Julian erhält die Gefangenen von den Barbaren zurücke, und läßt Korn aus Britannien den Rhein herauf schiffen.
1. Als dieses geschehen war, und eine Menge der Gefangenen1 zurück gegeben wurde, wie natürlich aus vierzig mit Gewalt eroberten Städten viele sich sammeln mußten, so war der Cäsar in Verlegenheit, was er thun sollte. Auf der einen Seite sahe er die erst zerstörten Städte, und das lange Zeit unangebaut gebliebene Land; auf der andern, daß die von den Barbaren zurückgegebenen Einwohner nicht wenig Früchte bedurften, die nicht einmal aus den nahen Städten herbeigeschafft werden konnten, weil auch diese, die von den Einfällen der Barbaren nicht unverschont geblieben waren, keinen hinreichenden Vorrath hatten. 2. Da er nun bei den gegenwärtigen Umständen sich nicht S. 229 anders zu helfen wußte, so sinnt er folgendes aus. Wo der Rhein an den äußersten Gränzen Germaniens, in der Nachbarschaft eines Gallischen Volks2 sich in den Atlantischen Ocean ergießt, und Britannien nur neunhundert Stadien von der Küste entfernt ist, brachte er aus den am Ufer stehenden Wäldern Holz zusammen, bauete achthundert3 Schiffe, größer, als Kähne, schickte sie alsdann nach Britannien, und ließ Früchte herbeibringen [J. 358.]. 3. Hierauf machte er Anstalten, daß sie auf Flußschiffen den Rhein herauf geführt wurden; und weil dieses um der Kürze der Fahrt willen öfters geschahe, so war der Vorrath für diejenigen, die ihren Städten wieder geschenkt waren, nicht nur hinreichend zur Nahrung, sondern sie konnten auch ihr Feld ansäen, und hatten das Nöthige bis zur Erndte. 4. Dieses that Julian, da er noch nicht einmal das fünf und zwanzigste Jahr erreicht hatte. 5. Weil nun die Soldaten wegen seiner mäßigen Lebensart, seiner Tapferkeit im Kriege, seiner Enthaltsamkeit bei den Beuten, und seiner andern Tugenden, worinnen er alle seine Zeitgenossen ― ich möchte wohl sagen ― übertraf, sehr gut gegen ihn gesinnt waren: 6. so wurde S. 230 Konstantius vom Neide über die Thaten Julians ergriffen, glaubte, Salustius, einer von den ihm mitgegebenen Räthen, sey durch seinen Scharfsinn Schuld, daß Julian sowohl im Kriege, als durch andere Einrichtungen sich so vielen Ruhm erwerbe, und rief ihn daher zu sich, als ob er ihn in die Morgenländer versetzen wollte. 7. Julian entließ ihn sehr bereitwillig, entschlossen in allem dem Konstantius folgsam zu seyn. Nichts desto weniger hatte alles, was Konstantius dem Julian anvertraut hatte, fast mit jedem Tage guten Fortgang: das Heer nahm an der Zahl und Kriegserfahrung zu, und eben so die Städte im Frieden und im Genusse der aus demselben entspringenden Glückseligkeit.
Man giebt 20000 an. ↩
Die Salier wohnten an der Mündung des Rheins. Statt, ὅπερ ἐστὶν ἕθνος Γαλατικόν [hoper estin ethnos Galatikon] will Reitemeier lieber οὗπερ [houper] oder ᾗπερ [hēper] lesen, Heyne aber diese Worte als eine Glosse wegstreichen. ↩
Julian selbst zählt in einem Briefe an die Athener nur 600. ↩
