Kapitel XLI. Ausgezeichnete Eigenschaften des Proklos.
Proklos war schon in jungen Jahren ein Leser und widmete sich durch eifrigen Besuch der Schulen dem Studium der Rhetorik. Als er das Mannesalter erreicht hatte, stand er in ständigem Kontakt mit dem Bischof Atticus und wurde zu dessen Sekretär ernannt. Als er große Fortschritte gemacht hatte, beförderte ihn sein Gönner in den Rang eines Diakons; später wurde er, wie wir bereits erwähnt haben, zum Presbyterium erhoben und von Sisinnius zum Bischof von Cyzicus geweiht. Doch all diese Dinge waren schon lange vorher geschehen. Zu dieser Zeit wurde ihm der bischöfliche Stuhl von Konstantinopel zugeteilt. Er war ein Mann, der an moralischer Vortrefflichkeit jedem anderen gleichkam; denn da er von Atticus ausgebildet worden war, ahmte er eifrig alle Tugenden dieses Bischofs nach. Er übte sich jedoch in größerer Geduld als sein Meister, der den Häretikern gegenüber gelegentlich Strenge walten ließ; denn Proklos war allen gegenüber sanftmütig, da er davon überzeugt war, dass Freundlichkeit weitaus wirksamer ist als Gewalt, um die Sache der Wahrheit voranzubringen. Er beschloss daher, sich mit keiner Ketzerei lästig einzumischen, und stellte in seiner eigenen Person der Kirche jene milde und gütige Würde des Charakters wieder her, die zuvor so oft unglücklich verletzt worden war. In dieser Hinsicht folgte er dem Beispiel des Kaisers Theodosius; denn wie dieser beschlossen hatte, seine kaiserliche Autorität niemals gegen Verbrecher auszuüben, so hatte auch Proklos den Vorsatz gefasst, diejenigen nicht zu beunruhigen, die in göttlichen Dingen andere Ansichten vertraten als er selbst.
