Drei und zwanzigstes Kapitel.
1. Bei der überall entstandenen Verwirrung, weil Philipp um Staatsgeschäfte sich unbekümmert bewiesen hatte, waren auch die Scythen über den Don1 gegangen, und hatten die Thracischen S. 56 Gegenden verwüstet. 2. Gegen diese zog Decius aus, überwand sie in allen Treffen, und nahm ihnen die gemachte Beute ab. Er gedachte nun, um sie gänzlich aufzureiben, und ihnen für immer die Vereinigung zu einem feindlichen Angriffe unmöglich zu machen, ihnen den Rückzug abzuschneiden. 3. Daher stellte er den Gallus mit hinreichender S. 57 Kriegsmacht an die Ufer des Dons, er selbst aber griff den Ueberrest an. Die Sache ging zwar nach Wunsche, allein Gallus, welcher mit Aufruhr umging, schickte Boten an die Barbaren, und forderte sie zur Theilnehmung an seinen geheimen Anschlägen gegen den Decius auf. Gerne nahmen dieselben eine solche Weisung an. Nun blieb Gallus zwar zur Bewachung des Donufers stehen; die Barbaren hingegen vertheilten sich in drei Haufen, wovon sie den erstern an einen Platz stellten, der durch einen Morast gedeckt war. 5. Als Decius die meisten von ihnen aufgerieben hatte; rückte die zweite Schaar an. 6. Auch diese wurde in die Flucht getrieben. Und nunmehro zeigten sich nur noch wenige in der Nähe des Morasts. 7. Izt drang Decius auf ein Zeichen, welches ihm Gallus gegeben, durch den Morast auf den Feind anzurücken, ohne vorher die ihm unbekannte Gegend zu untersuchen, auf denselben ein, und blieb mit seinem Kriegsheere in dem Moraste stecken. Indessen griffen die Barbaren von allen Seiten an, und richteten ihn nebst seiner Kriegsmacht zu Grunde.2 8. Dieses Ende hatte der vortreffliche Kaiser Decius.
Das Volk, mit welchem die Römer hier Krieg führten, waren auch keine Scythen, sondern die in der folgenden Geschichte noch bekannter gewordenen Gothen. Sie kommen bei unserm Verfasser noch öfters unter allgemeinen und besondern Namen vor; wir wollen daher eine dieselben erläuternde Anmerkung aus der Reitemeierschen Ausgabe des Originals hier mittheilen.
„Die Scythen, deren Wohnsitze an der Donau sind, (Zos. 1, 31; 3, 2; 4, 20.), sind die Gothen; und werden von Zosimus in andern Stellen Gothen, Boranen, Urugunden, Karpier (1, 27. 31.) Prothinger (4, 38.) genennet. Auch die Bastarnen nennet er ein Scythisches Volk (1, 71.); Taiphaler (2, 31; 4, 25.) Doch scheinet Zosimus selbst die wahren Abstammungen der Völker nicht richtig gekannt zu haben; indem er 1, 42 die Gothen nebst den Herulern und Peucinern von den Scythen als verschieden angiebt. Scythen oder Gothen (Zosimus nennet sie nirgends Geten) unterscheidet er in Völker und Stämme (ἔθνη und γένη) [ethnē und genē]. Unter die Völker rechnet er die schon angeführten Bastarnen (1, 71.), die Prothinger (4, 38.) und einige Scythen (4, 7.). Zu denjenigen, welche er Stämme nennet (γένη) [genē], rechnet er die königlichen Scythen, welche mehrere Fürsten scheinen gehabt zu haben; ― denn Athanarich wird als Oberhaupt aller königlichen Scythen angeführet (4, 34; vgl. 4, 20. und 4, 7.) ― ferner die Taiphalen (2, 31.), die Boranen, Karpier, Gothen, Urugunder (1, 31.).
Zos. nennet hier und in der Folge der Erzählung den Don oder Tanais, vermuthlich aus Uebereilung; denn da das Schlachtfeld in Mösien oder der Bulgarei war, so kann nur die Donau gemeint seyn. ↩
Daß die Geschichtschreiber über das Ende des Decius verschiedene Nachrichten geben und Ammianus Marcellinus B. 31. K. 13. mit unserm Verfasser übereinstimmen, bemerkt Herr Reitemeier bei d. St. ↩
