Sechstes Kapitel.
1. Daß dieses sich also verhalte, zeigte die Erfahrung der vergangenen Zeiten augenscheinlich; nicht weniger dasjenige, was sogleich unter Oktavianus Regierung sich zutrug. 2. Denn zu jenen Zeiten ward der vormals nicht gewöhnliche Pantomimentanz1 eingeführet, indem S. 34 Pylades und Bathyllus solchen zuerst einführten. Hierzu kam noch manches andere, das bis izt Ursache vieles Uebels wurde. 3. Dennoch glaubte man, daß Oktavianus das Regiment auf eine billige Weise verwalte, vornämlich seit er den Rathschlägen des Stoikers, Athenodorus, folgte. Tiberius hingegen, dessen Nachfolger, verfiel in die äußerste Grausamkeit, ward seinen Unterthanen unerträglich, wich deren Hasse aus, und endete, auf einer Insel2 verborgen, sein Leben. 4. Kajus Kaligula, welcher an jeder unsinnigen Handlung denselben noch übertraf, ward von S. 35 dem Chärea aus dem Wege geräumt, welcher durch diese kühne That den Staat von der harten Tyrannei befreite. 5. Auf den Klaudius, welcher verschnittenen Freigelassenen seine Geschäfte preiß gegeben, und mit Schande bedeckt aus der Welt gegangen war, folgten Nero, und die nach ihm kamen im Besitze der Alleinherrschaft. 6. Besser achte ich es, von diesen nicht das Mindeste zu erzählen, damit das Andenken an ihre sinnlosen und ungereimten Handlungen vertilgt werde. 7. Nachdem Vespasianus und dessen Sohn Titus auf eine anständigere Weise regiert hatten, übertraf Domitianus an Grausamkeit, Ausschweifung und Habsucht alle andere, und ward, als er volle funfzehen ganzer Jahre den Staat zerrüttet hatte, von Stephanus, der Freigelassenen einem, aus dem Wege geräumt und für seine Bosheit gestraft.
Die Pantomimen, welche zwar nicht von Pylades und Bathyllus eigentlich erfunden, sondern durch sie nur von der Tragödie und Komödie abgesondert und zu einer eigenen Gattung, gelehrten Untersuchungen zufolge, erhoben worden, waren eine Art von Tanz wo man ohne Wortsprache, durch schnelle Wendungen und geschickte Gebehrdensprache alte Götter- und Heldenfabeln vorstellte. Zosimus redet im vierten Buche K. 33. und im fünften K. 7. noch von ihren nachtheiligen Wirkungen, welche um so begreiflicher sind, wenn man erwägt: daß, wiewohl zu den Zeiten der beinahe entschlafenen Republik die Sitten des nicht zur niedrigsten Klasse gehörenden Römers strenge genug waren, sich durch Schauspielerkünste erniedrigt zu fühlen, doch schon zu Augusts Zeiten, die ersten Staatsmänner und Senatoren die Gesellschaft der, beim Princeps beliebten, Schauspieler suchten; daß der Inhalt dieser Fabeln gemeiniglich schlüpfrig und wohllüstig war; daß an sechstausend Personen beiderlei Geschlechts in Rom für die öffentliche Ausübung dieser Kunst vom Staate unterhalten, und diese Schauspiele von einer solchen ungeheuren Menge und mit einer solchen heftigen Begierde besucht wurden, daß sie uns ganz unglaublich vorkommen müßte, wäre nicht alles durch die einstimmigen Zeugnisse der Satyriker und der glaubwürdigsten Geschichtschreiber über allen Zweifel bewähret. ↩
Kapreä, an den Küsten von Kampanien. ↩
