Vierzigstes Kapitel.
1. Bei dieser Lage des Orients erhielt Gallienus, während er sich mit dem Kriege gegen die Scythen beschäftigte, die Nachricht, daß Aureolus, Befehlshaber der Reiterei, welcher bestellt war, bei S. 74 Mailand die Pässe nach Italien gegen den Postumus1 zu verwahren, Neuerungen anfange und sich die Alleinherrschaft zu erwerben gedenke. 2. Voll Bestürzung hierüber, trat er sogleich den Zug nach Italien an, und übergab die Führung des Scythischen Kriegs dem Marcianus, welcher sehr viele Erfahrenheit im Kriegswesen hatte. 3. Indem dieser mit dem Kriege beschäftigt, und Gallienus auf dem Wege nach Italien war, unterlag lezterer folgender Nachstellung.2 Heraklianus, Oberster der Leibwache, gesellte sich zu seinem S. 75 Unternehmen den Klaudius zu, welcher die Staatsverwaltung zunächst unter dem Kaiser besorgte; und stellte des Kaisers Leben nach. 5. Als er einen hierzu sehr geneigten Mann, den Befehlshaber der Dalmazischen Reiterei, gefunden hatte, so übergab er diesem die Ausführung. 6. Gerade bei der Mahlzeit eröffnete dieser dem Kaiser, daß vermöge der Aussage eines Kundschafters Aureolus mit seiner Kriegsmacht anrücke. 7. Aufgeschreckt hierdurch, forderte Gallienus seine Waffen; sezte sich gleich zu Pferde, gab den Soldaten Befehl, ihm zu folgen, und eilte also, ohne seine Trabanten zu erwarten, voran. 8. Sobald ihn der Befehlshaber der Dalmazischen Reiterei ohne Rüstung erblickte, so ermordete er denselben.
Herr Reitemeier bemerkt nach Tillemont Hist. des Empereurs, T. II. p. 357. daß Postumus um diese Zeit schon todt war, indem er gleich bei der ersten Unternehmung des Gallienus gegen ihn, getödtet worden. Postumus empörte sich im J. 259., fiel gegen d. J. 268. ↩
Zosimus ist in der Erzählung von den Anmassern des Throns zu Galliens Zeiten voller Lücken. So lange der würdige Vater des Gallienus regierte, mußte letzterer seine Ausschweifungen sorgfältig verbergen; nach des erstern Unfall ward er durch seine Liederlichkeit und Nachlässigkeit in der Reichsverwaltung gleich verächtlich und verhaßt. Kein Wunder, daß bei dem unruhigen Geiste der Legionen und der günstigen Gelegenheit, welche des Gallienus Sorglosigkeit dem Ehrgeize darbot, in den mancherlei Reichsprovinzen, neunzehn Anmasser aufstanden; von denen Zosimus nur einige nennt. Die Verfasser der römischen Kaisergeschichte haben sie sehr uneigentlich Tyrannen genannt und unrichtig ihre Zahl auf 30 angegeben. Ihre Geschichte ist sehr ungewiß; aber unleugbar ists, daß sie alle eines gewaltsamen Todes starben. ↩
