22.
Wenn nun jemand Gott liebt, so vereinigt auch er seine Liebe mit ihm. Ist er einmal von ihm (= Gott) gläubig erfunden, so gibt er ihm den himmlischen Glauben dazu1 und er wird ein doppelter Mensch. Damit du mit deinen Gliedern ihm opfern kannst, vermengt auch er von seinen Gliedern Gleichartiges mit deiner Seele, auf daß all dein Handeln, Lieben und Beten rein sei. Denn eine hohe Würde hat der Mensch. Sieh, wie S. 133 groß ist der Himmel und die Erde, die Sonne und der Mond! Und doch hat es dem Herrn gefallen, nicht in ihnen, sondern einzig und allein im Menschen zu ruhen. Deshalb überragt der Mensch an Würde alle Geschöpfe, ja, ich wage vielleicht zu behaupten, nicht bloß die sichtbaren Geschöpfe, sondern auch die unsichtbaren, nämlich die „dienstbaren Geister“2. Denn nicht von Michael und Gabriel, die doch Erzengel waren, sprach er: „Lasset sie uns machen nach unserem Bild und Gleichnisse“3, sondern nur vom geistigen Wesen des Menschen, d. h. der unsterblichen Seele. Und es steht geschrieben: „Engelheere lagern sich um die, welche ihn fürchten“4. Die sichtbaren Geschöpfe tragen die Fesseln einer sozusagen unveränderlichen Natur.
