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[Forts. v. S. 142 ] Siehst du aber einen, der stolz und aufgeblasen ist, da er der Gnade teilhaftig geworden, [so wisse]: Dieser ist, auch wenn er „Wunder wirkt“1 und Tote erweckt, jedoch sein Leben nicht für wertlos und nichts erachtet, nicht „arm im Geiste“2 und verabscheuungswürdig ist, von der Bosheit überlistet, ohne es zu wissen. Selbst wenn er „Wunder tut“, ist ihm nicht zu glauben. Denn darin besteht das Kennzeichen des Christentums, daß einer, der vor Gott bewährt ist, sich bemüht, vor den Menschen verborgen zu bleiben und, selbst wenn er alle Schätze des Königs besitzt, sie zu verbergen und immerdar zu bekennen: „Dieser Schatz gehört nicht mir. Ein anderer hat ihn mir anvertraut. Denn ich bin arm. Wann er will, nimmt er ihn mir“. Sagt aber jemand: „Ich bin reich, habe genug, verfüge über Besitz, ich brauche nichts mehr“, so ist ein solcher kein Christ, sondern ein Gefäß des Truges und des Teufels. Denn der Genuß Gottes ist unersättlich. Je mehr man davon kostet und ißt, desto größer wird der Hunger. Solche haben ein unbezähmbares Verlangen3 und Liebessehnen nach Gott. Je mehr sie sich bemühen, Fortschritte zu machen und vorwärts zu kommen, für desto ärmer halten sie sich, da sie dürftig sind und nichts besitzen. Denn so sprechen sie: „Ich bin nicht wert, daß die Sonne mich anscheint“. Dies ist das Kennzeichen des Christentums, nämlich die Demut.
