2. Wie ihm die Bischöfe vorgestellt wurden
Am ändern Morgen aber, als der König die Stätten der Heiligen besuchte, um dort zu beten, kam er auch zu unserer Wohnung. Die war nämlich in der Kirche des heiligen Abtes Avitus, dessen wir im Buche der Wunder gedachten1 Ich stand also freudig auf, ihn zu begrüßen, erteilte ihm den Segen und bat ihn, daß er in meinem Gemache das gesegnete Brot2 des heiligen Martinus empfangen möchte. Er lehnte nicht ab, sondern trat gnädig ein, trank einen Becher, lud uns abermals zum Mahle ein und ging fröhlich weiter.
S. 255 Damals standen die Bischöfe Berthramn von Bordeaux und Palladius von Samtes beim Könige in großer Mißgunst, weil sie Gundovald ausgenommen hatten, worüber wir schon oben berichteten(1). Bischof Palladius hatte sich aber dadurch noch ganz besonders den Zorn des Königs zugezogen, daß er ihn schon öfters hintergangen hatte. Beide waren auch kurz zuvor von den übrigen Bischöfen und den Großen des Königs deshalb zur Untersuchung gezogen worden, weil sie Gundovald ausgenommen und auf dessen völlignüchtigen Befehl Faustianus "zum Bischof von Dax geweiht hatten(2) Doch die Schuld dieser Weihe nahm Bischof Palladius seinem Metropoliten Berthramn ab und maß sie sich selbst bei: „Mein Metropolit", sagte er, „litt damals sehr an den Augen, und ich wurde, von Gundovald beschimpft(3) und verhöhnt, mit Gewalt nach jenem Orte gebracht. Ich konnte nur tun, was er, der alle Gewalt in^Gallien zu besitzen vorgab, mir gebot." Da dies dem König bekannt ward, hegte er einen solchen Haß gegen sie, daß man es nur mit Mühe dahin bringen konnte, daß er sie zum Mahle bescheiden ließ. Er hatte sie nämlich seitdem noch nicht gesehen. Als Berthramn aber eintrat, fragte der König: „Wer ist das?" Denn es war lange her, daß er ihm nicht vor die Augen gekommen war. Man sagte ihm: „Es ist Bischof Berthramn von Bordeaux." Da sprach er zu ihm: „Wir danken dir, daß du so die Treue gegen unser Haus bewahrt hast. Du hättest wohl wissen können, teuerster Vater, daß du uns verwandt bist von unserer Mutter her(4), und hättest nicht die Pest von außen in dein eignes Haus bringen sollen." Da Berthramn dieses und dem ähnliches S. 256 hatte hören müssen(1), wandte sich der König an Palladius und sagte: „Auch dir, Bischof Palladius, weiß ich keinen großen Dank zu sagen. Denn zum drittenmal bist du gegen mich, was man einem Bischöfe nie sollte nachsagen dürfen, meineidig gewesen und hast boshafte Schriften gegen mich in die Welt gesandt. Du entschuldigtest dich bei mir in deinen Briefen und ludest durch andre Schreiben meinen Bruder zu dir ein(2). Aber Gott wird Richter sein in meiner Sache! Ich habe immer gesucht, mir euch, als Väter der Kirche, geneigt zu stimmen, aber ihr habt arglistig alle Zeit gegen mich gehandelt." Zu den Bischöfen NicasiuZ(3) und Antidius(4) sprach er also: „Sagt mir an, heilige Väter, was habt ihr für das Wohl eurer Bezirke und für die Erhaltung unseres Reichs getan(5)?" Sie aber schwiegen. Darauf wusch sich der König die Hände, ließ sich von den Bischöfen den Segen erteilen und setzte sich frohen und heitern Angesichts zur Tafel, gleich als ob er gar nicht von dem Schimpf gesprochen hätte, der ihm angetan worden war.
