31. Von der Ermordung des Bischofs Prätertatus
Indessen hielt sich Fredegunde in der Stadt Rouen auf(7). Sie ließ hier gegen Bischof Prätextatus Worte voll bittern Hasses laut werden und sagte, die Zeit würde kommen, wo er die Verbannung, welche er erduldet hatte(8), abermals sehen würde. Da sprach jener: „Ich war immerdar, verbannt oder nicht verbannt, Bischof, bin es und werde es bleiben, aber du wirst nicht immer deine königliche Macht besitzen. Wir S. 293 gelangen aus der Verbannung nach Gottes Gnade zu seinem Reiche, du aber wirst von diesem Reiche in die Hölle hinabgestoßen werden. Aber es wäre dir besser, daß du von deiner Torheit und Bosheit ließest und dich endlich zum Besseren wendetest. Lege den Hochmut ab, in dem sich dein Herz aufbläht, auf daß du das ewige Leben erlangest und das Söhnlein, das du geboren hast, zu mündigem Alter erziehen kannst." Da er solches sagte, zürnte ihm das Weib sehr und ging fort, bittre Galle im Herzen.
Als aber der Tag der Auferstehung des Herrn anbrach(1), begab sich der Bischof früh zur Kirche und stimmte nach dem Kirchengebrauch die vorgeschriebenen Antiphonen(2) an. Und da er während des Singens sich auf eine Kniebank niederließ, trat ein verruchter Mörder heran, zog einen Dolch, den er am Gürtel hängen hatte und stieß ihn dem Bischof, der auf der Bank kniete, in die Achselhöhle. Dieser schrie laut, daß die Geistlichen, die um ihn waren, ihm zu Hilfe kämen, aber keiner von so vielen, die zugegen waren, eilte herbei. Da streckte er seine blutigen Hände nach dem Altar aus, betete und dankte Gott, bis er von seinen Dienern in sein Gemach getragen und auf sein Bett gelegt wurde. Und alsbald erschienen Fredegunde S. 294 mit Herzog Beppolen(1) und Ansoald(2) und sprach: „Dies hätte, o heiliger Bischof, uns und deiner ganzen Gemeinde nimmer widerfahren sollen, daß dir in deinem heiligen Amt solches zustieße. Möchte es doch an den Tag kommen, wer dies zu tun sich erfrechte, daß er die gebührende Strafe für sein Verbrechen empfange." Der Bischof wußte aber recht Wohl, wie sie voll Arglist solches redete, und sprach: „Wer es getan hat? Derselbe, der unsere Könige getötet, so oft unschuldiges Blut vergossen und so vielfache Greuel in diesem Reiche verübt hat." Da sprach das Weib: „Ich habe sehr erfahrene Ärzte, die deine Wunde heilen werden. Erlaube, daß sie dich besuchen." „Mich", gab er ihr zur Antwort, „will Gott jetzt aus dieser Welt abrufen. Du aber, von der alle diese Greuel ausgingen, wirst in Ewigkeit verflucht sein(3), und Gott wird mein Blut an deinem Haupte rächen." Da ging sie von dannen; der Bischof aber beschickte sein Haus und verschied.
Zu seiner Bestattung kam Bischof Romachar von Coutances. Es war eine große Trauer unter allen Einwohnern von Rouen und besonders unter den fränkischen Vornehmen der Stadt. Von diesen kam einer zu Fredegunde und sprach: „Biel Böses hast du in dieser Welt schon angestiftet, aber bisher hast du nichts Schlimmeres getan, als dies, daß du den Bischof Gottes ermorden ließest. Möge Gott bald dies unschuldige Blut an dir rächen! Wir alle wollen diesem Verbrechen nachspüren, daß es dir nicht länger ungestraft freistehe, solche Grausamkeiten zu vollführen." Als er dies gesagt hatte, verließ er die Königin, sie aber sandte ihm jemand nach, um ihn zum Mahle einzuladen. Er schlug es ab. Da ließ sie ihn bitten, wenn er das Mahl nicht bei ihr einnehmen wollte, S. 295 möchte er mindestens einen Becher leeren, auf daß er doch nicht, ohne etwas genossen zu haben, den königlichen Palast verließe. Er blieb, nahm einen Becher und trank daraus Wermut, mit Wein und Honig gemischt, wie die Franken(1) es lieben(2). Aber dieser Trank war vergiftet. Sobald er getrunken hatte, fühlte er heftigen Schmerz seine Brust drücken, es war ihm, als ob ihm alles im Innern zerschnitten würde. Da rief er den Seinigen zu: „Fliehet, Unselige, fliehet dies Verderben, daß ihr nicht gleich mir zugrunde gehet." Da tranken sie nicht, sondern beeilten sich das Haus zu verlassen. Ihm aber wurde es schwarz vor den Augen; er bestieg sein Roß. Aber nachdem er drei Stadien(3) zurückgelegt hatte, stürzte er vom Pferde und starb.
Darauf sandte Bischof Leudovald(4) an alle Bischöfe Schreiben und versperrte rasch entschlossen die Kirchen von Rouen, auf daß das Volk in ihnen keinen Gottesdienst mehr feiern sollte, bis durch gemeinsame Nachforschung der Urheber dieses Frevels entdeckt wäre. Er ließ auch einige ergreifen, die er auf die Folter spannte und so zum Geständnis zwang, daß dies auf Anstiften Fredegundens geschehen sei. Da sie aber die Leute in Schutz nahm, konnte er die Schandtat nicht rächen. Man erzählte, daß auch an ihn sich Mörder gemacht hätten, deshalb, weil er nicht nachließ der Sache nachzuforschen; da er aber von den Seinigen sorgsam bewacht wurde, konnten sie ihm nichts anhaben.
Als dies König Gunthramn hinterbracht wurde und man den Verdacht auf Fredegunde wälzte, sandte er an ihren Sohn, der Chilperichs Kind sein soll und, wie oben erwähnt, Chlothar S. 296 genannt wurde(1), drei Bischöfe ab, Artemius von Sens, Veranus von Cavaillon(2) und Agrecius von Trotzes, daß sie mit den Erziehern des Kindes(3) der Person, die diesen Frevel angerichtet, nachspüren und sie zu ihm bringen sollten. Als die Bischöfe ihre Botschaft angebracht hatten, antworteten die Edlen Chlothars: „Uns mißfallen solche Taten ganz und gar, und wir wünschen nichts sehnlicher, als daß sie ihre Strafe finden. Aber das kann nicht geschehen, daß, wenn einer hier unter uns schuldig befunden werden sollte, man ihn vor euren König bringe, denn wir selbst können die Frevel der Unsrigen in königlicher Vollmacht strafen." Darauf antworteten die Bischöfe: „So wisset also, daß, wenn die Person, die sich dies erfrecht hat, nicht ausgeliefert wird, unser König mit seinem Heere kommen und dieses ganze Land mit Feuer und Schwert verwüsten wird; denn es ist offenkundig, daß es dieselbe ist, die den Bischof mit dem Schwerte ermorden ließ, die durch Giftmischerei den Franken umbrachte." Hierauf gingen sie von dannen, ohne eine ordentliche Antwort erhalten zu haben, sie geboten aber ausdrücklich, daß niemals Melantius, der früher in die Stelle des Prätextatus eingesetzt worden war(4), eine bischöfliche Handlung in jener Kirche verrichten dürfe.
