12. Ode
[Forts. v. S. 42 ] Er hat mich angefüllt mit Worten der Wahrheit, daß ich sie1 aussprechen möchte, 2 und wie das Fließen des Wassers fließt die Wahrheit aus meinem Munde, und meine Lippen haben seine Früchte gezeigt. 3 Und er hat in mir gemehrt seine Erkenntnis, denn der Mund des Herrn ist das wahre Wort und das Tor seines Lichtes. 4 Und der Höchste hat es seinen Welten gegeben, den Dolmetschern seiner Schönheit, den Erzählern seines Ruhmes, den Verkündern seines Ratschlusses, den Herolden seines Gedankens und denen, die rein bewahren seine Werke. 5 Denn für die Leichtigkeit des Wortes gibt es keinen Ausdruck, und wie sein Ausdruck, so ist auch seine Leichtigkeit und Schnelligkeit; 6 und ohne Ende ist sein Gang, und niemals fällt es, sondern es steht fest, und es kennt nicht seinen Abstieg und auch nicht seinen Weg. 7 Denn wie sein Werk, so ist auch sein Ende, denn es ist Licht und Aufleuchten eines Gedankens. 8 Und die Welten haben dadurch mit einander geredet und es waren S. 43 im Wort diejenigen, die schweigsam waren. 9 Und aus ihm ist die Liebe und die Einigkeit entstanden und sie haben eine der andern gesagt, was sie hatten, und sie sind durchdrungen2 von dem Wort; 10 und sie haben erkannt den, der sie gemacht hat, darum weil sie in Einigkeit waren. Denn es hat zu ihnen der Mund des Höchsten geredet, und seine Erklärung verbreitete3 sich eilig4 durch dasselbe; 11 denn der Wohnsitz des Wortes ist der Mensch, und seine Wahrheit ist die Liebe. 12 Selig sind diejenigen, welche dadurch alles verstanden und unsern Herrn erkannt haben in seiner Wahrheit. Hallelujah.
(Zu Ode 12.)
[Forts. v. S. 42 ] Diese Ode könnte man „Lobrede auf das Wort“ überschreiben; aber an den hellenischen Logos ist nicht zu denken. 4. „Welten“] s. Ode 7, 13. Wahrscheinlich hat im Text „Äonen“ gestanden; dann läßt sich nicht verkennen, daß wir hier ein Judentum mit einem „gnostischen“ Zug vor uns haben; aber dieser „gnostische“ Zug war bis in die Doktrinen der Pharisäer vorgedrungen, woher ihn auch Paulus hat. Die Äonen sind die Vermittler und Herolde Gottes. Übrigens ist der Übergang von dem Gedanken Ps. 19, 1 f. zu dem unsrigen kaum merklich. — „seiner Schönheit“] s. Ps. 104, 1. 5. s. Ps. 19, 6 f. 6. Harris übersetzt: „it knows not descent nor the way of it“; im anderen Fall ist der Sinn wohl, daß der Weg des Worts von oben nach unten keine Spuren zurückläßt. 8. Die erste Hälfte des 8. Verses ist verständlich, die zweite ist dunkel; aber vermutlich ist der Sinn: die Äonen, die an sich keine Sprache hatten, wurden durch die Begabung mit dem Wort redend. An eine gnostische Äonen-Genealogie ist dennoch nicht zu denken, auch bei v. 9 nicht. Denn daß das Wort Liebe und Eintracht stiftet, ist ein naheliegender Gedanke. Aber es ist sehr wahrscheinlich, daß in 8 b das Subject geändert und an die Menschen, zu denen das Wort gekommen ist, gedacht ist; dann sind auch in 9 b ff. die Menschen Subject, und es ist zu übersetzen: „sie haben einer dem andern gesagt“ usw. Jedenfalls ist in V. 10 u. 11 von den Menschen die Rede. 11. „Seine Wahrheit“] scil. die des Wortes.
