8. Ode
[Forts. v. S. 36 ] Öffnet, öffnet eure Herzen zum jauchzenden Empfang des Herrn, 2 und eure Liebe nehme zu vom Herzen bis zu den Lippen, 3 um Früchte zu bringen dem Herrn, ein heiliges Leben, und zu vermindern1 die Rohheit2 durch sein Licht. 4 Erhebet euch, und stehet auf, die ihr einstmals niedergebeugt waret; 5 ihr, die ihr in der Stille waret, redet, da euer Mund aufgetan ist; 6 ihr, die ihr verachtet waret, erhebet euch nun, da eure Gerechtigkeit hoch erhoben ist. 7 Denn die Rechte des Herrn ist mit euch, und er ist euch ein Helfer geworden; 8 und es ist euch Frieden bereitet, bevor euer Kampf sich erhob. 9 Höret das Wort der Wahrheit und nehmet an die Erkenntnis des Höchsten. 10 Euer Fleisch wußte nicht, was ich euch sagen würde, und auch nicht eure Herzen,3 was ich euch zeigen würde. 11 Bewahret mein S. 37 Geheimnis, ihr, die ihr durch dasselbe bewahret seid, 12 bewahret meinen Glauben, ihr, die ihr durch denselben bewahret seid, 13 begreift meine Erkenntnis, ihr, die ihr in Wahrheit mich erkennet, 14 liebet mich mit Inbrunst, ihr, die ihr liebt, 15 denn nicht wende ich mein Antlitz von dem, was mein ist. 16 Denn ich kenne sie, und ehe sie waren, habe ich sie erkannt, und ihr Antlitz; ich habe sie versiegelt, 17 ich habe ihre Glieder gebildet und meine Brüste für sie bereitet, meine heilige Milch zu trinken, auf daß sie dadurch leben möchten. 18 Ich habe Wohlgefallen an ihnen gefunden, und ich schäme mich ihrer nicht; 19 denn sie sind mein Werk und die Kraft meiner Gedanken. 20 Wer also wird auftreten gegen mein Werk, oder ihnen ungehorsam sein? 21 Ich habe Verstand und Herz gewollt und geschaffen, und sie sind mein, und zu meiner Rechten habe ich meine Auserwählten gestellt; 22 und wenn nicht vor ihnen meine Gerechtigkeit . . . . 4. Und sie sollen nicht meines Namens beraubt werden, denn er ist mit ihnen. 23 Bittet ohne Unterlaß5 und bleibet in der Liebe zum Herrn, 24 und die Geliebten in dem Geliebten, und die, welche bewahret sind, in dem Lebendigen, 25 und die Erlösten in dem Erlösten, 26 und ihr sollt unvergänglich erfunden werden in allen Äonen für den Namen eures Vaters. Hallelujah.
(Zu Ode 8.)
[Forts. v. S. 36 ] In dieser Ode spricht v. 1―9 der Sänger, aber dann Gott selbst (bis v. 22), endlich von v. 23 an wieder der Sänger. Solche Übergänge kommen auch im A. T. nicht selten vor. 8. An einen bestimmten Kampf ist schwerlich gedacht (s. Harris). 11. Hexaplarische Lesart zu Jes. 24, 16: τὸ μυστήριόν μου ἐμοί. In einem apokryphen Evangelium hat nach Clemens, Strom. V, 10 und Clem., Homil. XIX, 20 das Wort Jesu gestanden: μυστήριον ἐμὸν ἐμοὶ καὶ τοῖς υἱοῖς (τοῦ οἴκου) μου. Aber weder diese noch die Jesajas-Stelle braucht dem Verf. vorgeschwebt zu haben. Dagegen ist es, wie Harris richtig gesehen hat, möglich, daß Lactantius, der ja sicher unsre Oden gelesen hat, in VII, 26 von unserer Stelle und von v. 12 abhängig ist, sie aber anders deutet, als sie gemeint ist: „deo jubente, ut quieti ac silentes arcanum eius . . . . teneamus; abscondi enim tegique mysterium quam fidelissime oportet, maxime a nobis, qui nomen fidei gerimus“. Man beachte in v. 11―14: „mein Geheimnis, meinen Glauben, meine Erkenntnis“; sodann die Aufforderung zur Liebe. 16. Man kann auch übersetzen: „und ihr Antlitz — ich habe es versiegelt“; aber diese Übersetzung scheint minder gut. Zur Sache s. Ps. 139; über das Siegel s. Ode 4, 8. 17. Der eigentümliche Ausdruck „Gottes Brüste“ auch Ode (4). 14. 19. (35). 20. „ihnen“] „mein Werk“ ist als Plural zu verstehen. 21. „meine Auserwählten“] s. 23, 2. 22. Die Annahme einer Lücke ist unvermeidlich. 23. Der Schluß der Ode erscheint christlich. 25. „In dem Erlösten“ ist auffallend. 26. Man beachte, wie stark die Oden durch die Zusage der ἀφθαρσία beherrscht sind.
Harris übersetzt: „zu reden mit Wachsamkeit in seinem Lichte“, er hat statt למקללו ܠܡܩܠܠܘ des Textes לממללו ܠܡܡܠܠܘ gelesen. ↩
wörtl. „Wildheit“. ↩
Hs. irrtüml. לבושכונ ܠܒܘܫܟܘܢ „euer Kleid“ statt לבותכונ ܠܒܘ̇ܬܟܘܢ von Harris verbessert. ↩
Lücke. ↩
Hs. אסיגו ܐܣܝܓܘ „umzäunet“ statt אסגו ܐܣܓܘ „macht viel“? ↩
