4. Ode
S. 29 Niemand verändert deinen heiligen Platz, mein Gott, 2 und keiner ist, der ihn vertauschte und an einen andern Platz stellte, weil er nicht die Macht (dazu) hat. 3 Denn dein Heiligtum hast du bestimmt, bevor du die Plätze machtest; 4 der ältere (Platz) soll nicht tauschen müssen1 mit denen, die jünger sind als er. 5 Du hast dein Herz, o Herr, deinen Gläubigen gegeben, nie wirst du müßig sein und wirst nicht ohne Frucht sein; 6 denn eine Stunde des Glaubens an dich ist mehr wert als alle Tage und Stunden. 7 Denn wer wird deine Güte anziehen und ungerecht handeln? 8 Denn dein Siegel ist bekannt, und deine Geschöpfe kennen2 es, und deine Heerscharen besitzen es, und S. 30 die auserwählten Erzengel sind damit angetan. 9 Du hast uns deine Gemeinschaft geschenkt, nicht weil du unser bedarfst, sondern wir bedürfen deiner. 10 Sprenge auf uns deine Tautropfen, und öffne deine reichen Quellen, die uns Milch und Honig fließen lassen. 11 Denn bei dir gibt es keine Reue, daß du bereutest, was du versprochen hast, 12 und das Ende war dir offenbar; denn was du gegeben hast, das hast du aus Gnaden gegeben, 13 so daß du es also nicht entziehen und (wieder) nehmen wirst. 14 Denn alles war dir als Gott offenbar und war von Anfang an fest bestimmt vor dir, und du, o Herr, hast alles gemacht. Hallelujah.
(Zu Ode 4.)
[Forts. v. S. 29 ] 1―4. Gewiß hat Harris Recht, daß es sich um den jerusalemischen Tempel handelt, und wahrscheinlich ist, daß zugleich an den Tempel von Leontopolis (auch Garizim?) als den Rivalen gedacht ist (bezw. auch an andere jüdische Opferstätten, die es, wie wir jetzt wissen, in der Diaspora gab). Aber dann folgt auch, daß beide Tempel noch stehen (gegen Harris). Der Tempel von Leontopolis hat von c. 160 v. Chr. bis 73 n. Chr. bestanden, also etwas länger als der jerusalemische. Unsere Ode ist mithin vor d. J. 70 n. Chr. gedichtet. Der Verf. verwirft den Tempel von Leontopolis nicht, behauptet aber seine Inferiorität gegenüber dem von Jerusalem und schützt dessen Superiorität gegenüber Herabsetzungen zu Gunsten des Onias-Tempels. Urteile der Palästinenser über diesen s. bei Schürer, Geschichte des jüd. Volkes Bd. III³ S. 97 ff. Die Verwahrung richtet sich wohl gegen ägyptische Juden (gegen Samaritaner?). Die Vorstellung (v. 3), daß der jerusalemische Tempel älter als die anderen Plätze d. h. als die Welt ist, war bei den Rabbinen sehr verbreitet. 5 ff. Die zweite größere Hälfte der Ode steht in keinem Zusammenhang mit der ersten, so daß man schwer glauben kann, daß die beiden Stücke ursprünglich eine Einheit gebildet haben. 5. „Deinen Gläubigen“] kann natürlich ebenso von einem Juden, wie von einem Christen geschrieben sein. — Der Zusammenhang von 5a und 5b ff. ist nicht ganz deutlich, aber doch vorhanden. 6. S. Ps. 84, 11, aber welche Fortschritte hat die Innerlichkeit der Religion gemacht! 8. „Dein Siegel“] S. 8, 16; Apoc. Joh. 5. 7, 2 ff.; II. Kor. 1, 22; Ephes. 1, 13; 4, 30; II. Tim. 2, 19. Über das „Siegel“ könnte man eine lange religionsgeschichtliche Abhandlung schreiben und zeigen, wie es das „Wort“ sakramental gemacht hat und wie es den Besitz Gottes anzeigt und das donum custodiae dei et perseverantiae einschließt. In diesem Sinn wird es auch hier gebraucht sein. 9. Gott ist ἀπροσδεής, die Menschen aber bedürfen seiner — ein jüdischer und christlicher Gemeinplatz. 10. „Milch und Honig“] öfters in den Oden, s. d. Register. 11 ff. Gott ist ἀμεταμέλητος, s. Röm. 11, 29; II. Kor. 7, 10 und A.T. 14. Auch ein jüdischer und christlicher Gemeinplatz.
