Nr. 15
Welcher nur einigermaßen vom Geschmack der Vernunft berührte Mensch mag wohl glauben, daß auf den Körpern der Götter Haare und Flaume wachsen? daß der Jahre Verschiedenheit bei ihnen sich finde? daß sie auch in mannigfach geformte Umwürfe und Gewänder gekleidet einhergehen und sich wider Hitze wie Kälte schützen? So daß, wer dieß für wahr hält, auch nothwendig gleicher Weise für wahr annehmen muß, Götter seyen Walker, seyen Barbiere, welche entweder die heiligen Kleider reinigen S. 105 oder den die Häupter einhüllenden verwilderten Haarwuchs zuscheeren. Ist es dergestalt nicht schimpflich, nicht vollauf unfromm und schmählich, den Göttern der sterblichen und vergänglichen Geschöpfe Gestaltung beizulegen? ihnen die Theile zuzulegen, welche kein Tugendhafter anzuführen, zu gebrauchen, noch ohne den Schauder höchsten Abscheues mit seiner Einbildungskraft zu erfassen wagt? Ist nicht dieß eben euer Stolz, eure arrogante Weisheit, der zufolge ihr uns als Ungebildete verachtet und euch einbildet im Besitz der Wissenschaft aller göttlichen Dinge zu seyn? Ihr verlacht die geheimnißvolle Weise der Aegypter, da sie unter den Gestalten der Thiere göttliche Mächte verhüllen, und diese mit vielem Weihrauch sammt der sonstigen Zurüstung der Zeremonien aufnehmen; die ihr Menschenbilder gleich Göttern verehret, und euch nicht schämt, denselben die Gestalten irdischer Wesen beizulegen? Anderer Irrthum und Thorheit verdammt ihr, und werdet doch im ähnlichen Irrthum wie Fehler erfunden.
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