Nr. 19
Verweigert ihr nicht den Trieb unserer Seele zu vernehmen, so sind wir nicht allein weit davon entfernt, Gott körperliche Umrisse beizulegen, sondern wir scheuen uns sogar, ihm auch den Schmuck der Seele und die Tugenden selbst, durch welche sich auszuzeichnen kaum Wenigen gestattet ist zuzuschreiben: denn wer möchte sagen, Gott sey starkmüthig, standhaft, rechtlich, weise? wer, Er sey gut, mäßig, ja wer, er wisse Etwas; Er habe Einsicht; Er trage Vorsorge? wer, Er ermesse nach gewissen Pflichtzwecken die Entschlüsse seiner Handlungen? Dieß sind menschliche Güter, die aus dem Widerstand der Laster die Löblichkeit ihrer Werthschätzung zu empfangen verdient haben. Wer aber ist so engbrüstig, so vernunftlos, daß er sage, Gott sey durch menschliche Güter groß oder daher komme der Vorzug seiner Majestät, weil die Schändlichkeit der Laster Ihm mangle? Was immer du von Gott aussagen, was immer du in des beruhigten Gemüthes Betrachtung erfassen magst, es springt in menschliche Sinnesweise über und verdirbt; und nicht hat, was wir mit unseren, zu dem menschlichen Verkehr gebildeten Worten ausdrücken, S. 107 der eigenthümlichen Bezeichnung Ausdruck. Nur eine Erkenntniß des Menschen von Gottes Natur ist unumstößlich, wenn er weiß und fühlt, daß die menschliche Sprache von Ihm durchaus Nichts auszusagen vermöge.
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