Nr. 27
Aus ebendemselben Grund muß auch dasselbe auf die Venus angewendet werden: denn wofern, wie ihr dafür haltet und glaubt, dieselbe in den menschlichen Vorstellungen Liebesflammen anfacht, so folgt, daß man annehmen müsse, was immer von Verderben und Verbrechen aus solcher Wuth entstehe, das sey den Verwundungen der Liebe zuzurechnen. Also der Göttin, welche nöthigt, daß selbst Edle oftmals ihren Wohlstand um der niedrigsten Unzucht willen vergeuden; daß fest geknüpfte Ehebande sich trennen, daß Blutsverwandtschaft zu unerlaubter Lust sich entzündet; daß Kinder der Mütter wegen rasen; daß Väter ihrer Töchter Verlangen auf sich lenken; daß Greise wider des Alters Schicklichkeit in schändlichen Gelüsten nach jugendlicher Liebe seufzen; daß Weise und Starke den Entschluß männlicher Beharrlichkeit verweichlichter Kraft lösen; daß man Schlingen dem Nacken umlegt, brennende Scheiterhaufen besteigt, und sich freiwilligen Sprunges von wüsten und hocherhabenen Klippen an verschiedenen Orten herabstürzt.
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