Nr. 22
Du irrst, sagt man, und täuschst dich: denn nicht sind die Götter selbst die Handwerker und Verrichter, sondern sie flößen diese Künste den Fähigkeiten der Menschen ein, und damit das Leben ausgerüsteter sey, überliefern sie den Sterblichen die Kenntnisse. Aber, wer irgend eine Lehre dem Unwissenden und Unkundigen eingiebt, und sich bemüht, diesen durch S. 108 das Wissen irgend eines Werkes klug zu machen, der weiß nothwendig selbst zuerst, was er dem Anderen zu lehren sich entschlossen hat: denn nicht kann er der Ueberlieferer irgend einer Kenntniß seyn, besitzt er nicht die Erfahrung der Vorschriften dessen, was er überliefert, und versteht er nicht den wahrgenommenen Grund höchst geübt. Die Götter also sind die ersten Künstler und Handwerker; sey es, daß sie, wie ihr selbst sagt, das Wissen dem Gedanken einflößen; sey es, daß die Unsterblichen und Nieerzeugten das ganze irdische Geschlecht an Alter der Zeit noch überragen. Dieß also ist die Frage: da für diese Künste bei den Obern sein Platz sich findet, indem weder ihr Bedürfniß, noch ihre Natur irgend etwas Scharfsinniges oder Handwerkmäßiges verlangt, weßhalb behauptet ihr, die Einen besäßen diese, die Anderen jene Kenntniß und Jeder habe eine besondere Kunstfertigkeit, wodurch Alle in der Erkenntniß des Wissens sich unterschieden zeigen.
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