30. Von der Kaiserherrschaft des Tiberius
Während dies in Gallien geschah, beschloß Justinus, nachdem er bereits das achtzehnte Jahr(2) seiner kaiserlichen Herrschaft vollendet hatte, sein Leben in dem Wahnsinn, von dem er befallen war. Und als er begraben war, übernahm der Cäsar Tiberius allein die Herrschaft, die er schon längst geführt hatte. Als aber nach der Gewohnheit des Landes das Volk sein Erscheinen bei den Spielen im Zirkus(3) erwartete, gedachte man bei dieser Gelegenheit einen Anschlag gegen ihn auszuführen und den Justinianus, der für einen Neffen des Justinus galt, auf den Thron zu erheben. Tiberius ging jedoch nicht nach dem Zirkus, sondern begab sich zu den heiligen Stätten, und nachdem er hier sein Gebet verrichtet, beschied er dm Papst der Stadt(4) zu sich und zog mit den Konsuln(5) und hohm Beamten(6) nach dem Palast. Daraus er- S. 62 griff er, mit dem Purpurmantel bekleidet, mit dem Diadem gekrönt, auf dem kaiserlichen Throne sitzend, unter lautem Beifallruf Besitz von dem Reiche. Die Verschworenen aber, die beim Zirkus warteten, gingen, als sie erfuhren, was geschehen war, verwirrt und beschämt auseinander, ohne etwas auszurichten; denn sie vermochten nichts gegen einen Mann, der seine Hoffnung auf Gott gesetzt hatte(1) Nach Verlauf weniger Tage kam auch Justinianus, warf sich dem Kaiser zu Füßen und überreichte ihm fünfzehn Zentner Goldes, um seine Gunst zu erlangen. Nach seiner gewohnten Langmut nahm ihn Tiberius gütig auf und hieß ihn im Palast an seiner Seite sein. Die Kaiserin Sophia vergaß aber des Versprechens, das sie einst dem Tiberius gegeben hatte(2), und suchte ihm Nachstellungen zu bereiten. Als er auf ein Landgut ging, um dort nach der Sitte der Kaiser dreißig Tage die Freuden der Weinlese zu genießen(3), ließ sie den Justinianus im geheimen zu sich bescheiden und wollte ihn auf den Thron erheben. Als Tiberius dies hörte, kehrte er in höchster Eile nach Konstantinopel zurück, ließ die Kaiserin ergreifen und ihr alle ihre Schätze nehmen; nur soviel blieb ihr, als sie zum täglichen Unterhalt bedurfte. Auch ihre Diener entfernte er und ersetzte sie durch andere, die ihm treu ergeben waren, und gab ihnen strengen Befehl, daß keiner der früheren mehr zu ihr Zugang haben solle. Den Justinianus ließ er hart an, gewann ihn jedoch später so lieb, daß er dessen Sohne seine Tochter versprach und wiederum für seinen Sohn Justinianus Tochter erbat. Die Sache kam jedoch nicht zur Ausführung.
S. 63 Das Heer des Tiberius kämpfte die Perser nieder, kehrte siegreich heim und brachte eine so gewaltige Beute mit, daß die menschliche Habsucht daran schien völlig zur Genüge haben zu können. Zwanzig gefangene Elefanten wurden zum Kaiser gebracht(1).
