43. Von einem Streit mit einem Ketzer
König Leuvigild schickte aber den Agila als Gesandten zu Chilperich, einen Mann ohne Geist und Verstandesbildung, aber voll böser Gesinnung gegen die rechtgläubige Lehre. Da diesen sein Weg nach Tours führte, fing er an, wegen unseres Glaubens uns anzufechten und die Lehre unserer Kirche zu bekämpfen.
„Unrichtig", sagte er, „war die Entscheidung, welche die Bischöfe vor alten Zeiten gaben, daß der Sohn dem Vater gleich sei." „Denn wie kann wohl," sagte er, „der dem Vater an Macht gleich sein, der selbst spricht: ,Der Vater ist größer denn ich(2) Hieraus folgt, daß es nicht richtig ist, ihn dem gleich zu setzen, dem er selbst sich untergeordnet nennt, dem er seine Traurigkeit bis in den Tod klagt, dem er endlich sterbend seinen Geist befiehlt, gleich als sei er selbst ohne alle Macht. Es leuchtet hieraus ein, daß er der Zeit wie seiner Macht nach dem Vater nachsteht." Zur Antwort hierauf fragte ich ihn, ob er glaube, daß Jesus Christus der Sohn Gottes sei, und ob er bekenne, daß dieser zugleich die Weisheit Gottes, das Licht, die Wahrheit, das Leben, die Gerechtigkeit sei. Er antwortete: „Ich glaube, daß der Sohn Gottes dies Alles ist." — Und ich: „Sage mir also, wann war der Vater ohne Weisheit, wann ohne Licht, wann S. 83 ohne Leben, wann ohne Wahrheit, wann ohne Gerechtigkeit? Denn wie der Vater ohne jene nicht sein konnte, so konnte er auch nicht ohne den Sohn sein, und gerade jene Eigenschaften sind für die Heiligkeit des göttlichen Namens notwendige Stücke. Aber er würde ja auch gar nicht der Vater sein, wenn nicht der Sohn wäre. Wenn du aber anführst, daß er gesagt habe: ,Der Vater ist größer denn ich/ so wisse, daß er solches sprach nach der Niedrigkeit des Fleisches, welches er annahm, damit du erkennen solltest, daß du nicht durch die Macht, sondern durch die Erniedrigung erlöset seiest. Ferner mußt du, wenn du die Worte anführst: ,Der Vater ist größer denn ich/ auch dessen gedenken, was er an einer anderen Stelle sagt: ,Jch und der Vater sind eins1 Seine Todesfurcht aber und daß er Gott seinen Geist befahl, ist der Schwachheit des Körpers beizumessen, auf daß wir glauben, daß er, wie wahrer Gott, so auch wahrer Mensch gewesen ist." Er erwiderte: „Wer den Willen jemandes tut, der ist geringer als dieser. Immer ist der Sohn geringer als der Vater, weil er den Willen seines Vaters tut, nicht aber, wie man weiß, der Vater den seinen." — Darauf ich: „Bedenke, daß der Sohn nur in dem Vater und der Vater nur in dem Sohne und beide stets nur in der Einheit des göttlichen Wesens existieren. Sodann, auf daß du erkennest, daß der Vater auch den Willen des Sohnes tut, vernimm, wenn du anders noch an das Evangelium glaubst, was Jesus selbst, unser Gott, sprach, als er hinging den Lazarus zu erwecken: ,Vater, ich danke dir/ sagte er, ,daß du mich erhöret hast; doch ich weiß, daß du mich allezeit hörest, doch um des Volkes willen, das umher stehet, sage ich es, daß sie glauben, du habest mich gesandt2.' Und als er seinen Leiden entgegenging, sprach S. 84 er: ,Und nun verkläre mich, du Vater, bei dir selbst mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war3/ Und der Vater antwortete ihm vom Himmel: ,Jch habe ihn verkläret und will ihn abermals verklären4/ Der Sohn ist also in der Gottheit gleichen Wesens und nicht geringer, auch ist nichts an ihm, das geringer wäre. Denn wenn du ihn als Gott bekennst, so mußt du notwendigerweise eingestehn, daß er voll-kommen sei und nichts ihm fehle; wenn du aber sagst, daß er nicht vollkommen sei, so glaubst du auch nicht, daß er Gott sei." — Und jener: „Erst als er die menschliche Gestalt annahm, fing er an, Gottes Sohn genannt zu werden, und es gab eine Zeit, wo er nicht war." — Und ich: „Höre David, der im Namen des Vaters spricht: ,Aus meinem Schöße habe ich dich erzeuget vor dem Morgenstern5/ Und der Evan-gelist Johannes spricht: ,Jm Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und alle Dinge sind durch dasselbige gemacht6/ Ihr, von dem Gifte der Verführung verblendet, denket unwürdig von Gott." — Und jener: „Lehret ihr etwa auch, daß der heilige Geist Gott sei und haltet ihr ihn für gleichen Wesens mit dem Vater und dem Sohne?" — Ich antwortete ihm: „Ein Wille ist in den Dreien, eine Macht, ein Wirken. Gott ist eins in der Dreifaltigkeit und dreifältig in der Einheit. Drei Personen, aber ein Reich, eine Majestät, eine Gewalt und Allmacht." Und jener sprach: „Der heilige Geist, von dem ihr behauptet, daß er gleichen Wesens mit dem Vater und dem Sohne sei, wird aber geringer als beide genannt, da man S. 85 liest, er sei vom Sohne verheißen und vom Vater gesandt worden. Niemand aber verheißt, was nicht seiner Gewalt untergeben ist, und niemand sendet jemanden, er sei denn geringer als er selbst, wie denn Christus selbst in dem Evangelium spricht: ,So ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch. So ich aber hingehe, will ich ihn zu euch senden(1).'" — Hierauf antwortete ich: „Mit Recht sagt der Sohn vor seinen Leiden, daß, wenn er nicht als Sieger zum Vater zurückkehrte und, nachdem er die Welt mit seinem Blute erlöset, in dem Menschen Gott eine seiner würdige Wohnstätte bereitete, der heilige Geist, das ist eben Gott(2), nicht in die abgöttische und von dem Makel der Erbsünde befleckte Brust hinabsteigen könnte. Denn ,der heilige Geist', wie Salomon sagt(3), ,fliehet die Abgöttischen'. Du aber, wenn du noch irgend deine Hoffnung auf die Auferstehung setzest, so sprich nicht wider den heiligen Geist; denn nach dem Ausspruch des Herrn: -Wer etwas redet wider den heiligen Geist, dem wird es nicht vergeben werden in dieser noch in jener Welt(4)'.'" — Und jener: „Gott ist der, der sendet, und nicht der, welcher gesendet wird." — Darauf fragte ich ihn, ob er an die Lehre der Apostel Petrus und Paulus glaube. Und da er ant-wortete „Ja", fuhr ich fort: „Als der Apostel Petrus Ananias anklagte wegen des beim Verkauf des Ackers unterschlagenen Geldes, was sagte er da? -Warum hast du denn solches in deinem Herzen vorgenommen, daß du dem heiligen Geiste lögest? Du hast nicht Menschen, sondern Gott gelogen(5)/ Und Paulus spricht, wo er die verschiedenen Stufen der geistlichen S. 86 Gaben unterscheidet: ,Ties Alles wirkt derselbige einige Geist und teilt einem jeglichen seines zu, nach dem er will(1)/ Wer aber das tut, was er will, der ist niemandem untertan. Ihr aber denkt, wie ich schon vorher sagte, ganz irrig über die heilige Dreifaltigkeit, und wie unwürdig und verkehrt die Lehre dieser eurer Sekte ist, zeigt der Tod ihres Gründers selbst, des Arius(2)." — Hierauf antwortete er: „Lästere nicht eine Lehre, die nicht die deine ist. Wir unsresteils, obschon wir nicht glauben, was ihr glaubt, lästern es doch nicht. Denn wir sehen es nicht als ein Verbrechen an, so oder so zu glauben. Es ist bei uns eine gewöhnliche Rede, es sei nicht sträflich, wenn man zwischen den .Altären der Heiden und der Kirche Gottes durchgehe, beiden seine Ehrfurcht zu beweisen." Da ich seine Blindheit nun völlig durchschaute, rief ich aus: „Wie ich sehe, zeigst du dich jetzt offen zugleich als Verteidiger der Heiden und Anwalt der Ketzer, denn du greifst nicht allein die Lehren der Kirche an, sondern lehrst auch die Greuel der Heiden verehren." „Besser wäre es für dich," sagte ich, „wenn der Glaube, den Abraham an der Eiche, Isaak beim Widder, Jakob auf dem Steine, Moses im Dornbüsche erkannte, den Aaron im Brustschilde(3) trug, David mit Paukenschlag verherrlichte und Salomon im Geiste voraus verkündigte, den alle Erzväter und Propheten und das Gesetz selbst in Weissagungen verkündigten oder durch Opfer vorbildeten, welchen auch in den neueren Zeiten unser mächtiger Fürsprecher Martinus im Herzen hegte und in seinen Taten kundgab, wenn dieser Glaube dein Herz stählte, auf daß du bekehret würdest zu dem Glauben an die unteilbare Dreifaltigkeit, von uns den Segen empfingest und deine Seele von dem Gifte des Un- S. 87 glaubens reinigen ließest und so deine Sünden getilgt würden. Da ergriff ihn der Zorn und wie ein Unsinniger stieß er endlich zwischen den Zähnen hervor: „Eher möge die Seele sich von den Banden des Leibes trennen, ehe ich von einem Bischöfe eures Bekenntnisses den Segen empfange." Und ich: „Noch möge der Herr unser Bekenntnis und unseren Glauben so lau werden lassen, daß wir sein Heiligtum den Hunden geben und die kostbaren Perlen vor die schmutzigen Säue werfen(1)" Hierauf brach er den Disput ab, erhob sich und ging von dannen. Aber später, als er nach Spanien zurückgekehrt war, wurde er schwach und krank, und in seiner Not bekehrte er sich zu unserem Bekenntnis.
