20. Wie ich als Gesandter zu König Gunthramn kam
In diesem Jahre, dem dreizehnten König Childeberts, als wir uns, ihn zu begrüßen, nach der Stadt Metz begeben hatten,(5) erhielten wir den Auftrag, mit einer Gesandtschaft zu König Gunthramn zu gehen. Da wir diesen in der Stadt Chalon antrafen, sprachen wir: „Seine reichsten Segenswünsche sendet dir, gefeierter König, dein ruhmreicher Neffe Childebert und sagt deiner Liebe dafür unendlichen Dank, daß er von dir unablässig zu dem angehalten wird, was Gott gefällt, dir genehm S. 30 und dem Volke förderlich ist. Das aber, was ihr miteinander besprochen habt, gelobt er alles zu halten und verspricht den Vertrag, der zwischen euch geschlossen ist, in keinem Punkte zu übertreten." Der König antwortete: „Gleichen Dank kann ich ihm nicht sagen, da dergestalt nicht gehalten wird, was mir versprochen ist. Mein Anteil an der Stadt Senlis(1) wird mir nicht gegeben. Leute, die ich meiner Sicherheit halber, weil sie meine Feinde waren, fortgeschafst haben wollte, ließ man nicht ziehen. Wie wollt ihr da sagen, daß den zwischen uns geschlossenen Vertrag mein herzlichgeliebter Neffe in keinem Punkte zu übertreten beabsichtigt!" Darauf entgegneten wir: „In nichts will er gegen jenen Vertrag handeln, sondern verspricht, alles zu erfüllen, so daß, wenn du jetzt zur Teilung von Senlis Leute schicken willst, sie unverzüglich erfolgen soll; sogleich wirst du das Deinige erhalten. Was aber die Leute betrifft, deren du erwähnst, so gib ihre Namen schriftlich an, und es soll alles erfüllt werden, was versprochen ist." Als wir so sprachen, befahl der König, den Vertrag selbst vor den Anwesenden nochmals zu verlesen.
Wortlaut des Vertrags.
„Als im Namen Christi die erlauchten Herren König Gunthramn und König Childebert und die ruhmreiche Frau Königin Brunichilde um der Liebe und Eintracht willen zu Andelot(2) zusammenkamen,(3) um über alles, was aus irgendwelchem Grunde Spaltung unter ihnen hervorrufen könnte, nach reiflicher Erwägung Entscheidung zu treffen, beschlossen sie auf Beirat ihrer Bischöfe und Großen unter dem Beistände Gottes in S. 31 aller Liebe und Eintracht, setzten fest und bestimmten, daß, so lange der allmächtige Gott ihnen das Leben in dieser Zeitlichkeit erhalten würde, sie immerdar Treue und wahre, aufrichtige Liebe einander bewahren wollten. Gleichermaßen ist, weil Herr Gunthramn behauptete, daß nach dem Vertrage, den er mit dem Herrn Sigibert seligen Andenkens geschlossen hat(1) ihm der ganze Anteil, welchen jener vom Reiche Chariberts erhalten hatte, ungeschmälert zukomme, und weil Herr Childebert seinerseits dagegen verlangte, vollständig alles, was sein Vater einst besessen hatte, zurückzuerhalten, unter ihnen nach schließlicher Beratung abgemacht worden, daß jenes Dritteil der Stadt Paris mit seinem Gebiet und seinen Bewohnern, das von dem Reiche Chariberts nach schriftlicher Übereinkunft an Herrn Sigibert gekommen war, samt den Burgen CHLteaudun und Bendome und allem, was der gedachte König auf der Straße dorthin von dem Gau von Etampes und Chartres mit dem dazu gehörigen Gebiet und Bewohnern erhalten hatte, auf immerdar unter der Gewalt und Herrschaft des Herrn Gunthramn bleiben soll, wie auch alles, was er schon bei Lebzeiten des Herrn Sigibert vom Reiche Chariberts besessen hatte. Jngleichen soll aber Herr Childebert die Städte Meaux, zwei Anteile von Senlis, Tours, Poitiers, Avranches, Bicus Julii(2) Consorannis(3) Laburdum(4) und Albi mit ihrem Gebiet vom gegenwärtigen Tage an wieder in seine Gewalt nehmen. Dabei soll Bedingung sein, daß, wer von diesen beiden Königen nach Gottes Willen den andren überlebt, das Reich dessen, der ohne Söhne zu hinterlassen aus dieser Zeitlichkeit abscheidet, unverkürzt und auf immerdar unter seine Gewalt bekommen und unter Gottes Beistand seinen Nach- S. 32 kommen hinterlassen soll. Es wurde dabei insbesondere festgesetzt, allerwege unverbrüchlich daran festzuhalten, daß alles, was der Herr König Gunthramn seiner Tochter Chlodechilde(1) bisher geschenkt hat oder, wenn es Gott beliebt, noch schenken sollte, an Gütern oder Vermögensstücken irgendeiner Art, an Städten oder Ländereien oder Einkünften, in ihrer Gewalt und ihrem Eigentum verbleibe, und daß, wenn sie über etwas von den Staatsländereien, über Kostbarkeiten oder Geld nach ihrem Belieben verfügen oder jemandem etwas der Art verleihen sollte, es dabei für immerdar unter Gottes Beistand bleiben und das von niemand zu irgendeiner Zeit deshalb angefochten werden soll, sie selbst aber unter dem Schutze und Schirme des Herrn Childebert ungestört und in allen Ehren und Würden sicher alles behalten soll, was sich beim Tode ihres Vaters in ihrem Besitze befinden wird. Gleicherweise verspricht dagegen der Herr König Gunthramn, daß, wenn sich nach der menschlichen Gebrechlichkeit zutragen sollte, was Gottes Güte verhindern möge und was er selbst nicht zu erleben wünscht, daß bei seinen Lebzeiten Herr Childebert abscheiden sollte, er dann dessen Söhne, die Könige Theudebert und Theuderich,(2) oder welche Söhne ihm sonst noch etwa Gott schenken sollte, wie ein liebender Vater unter seinen Schutz und Schirm nehmen will, so daß sie das Reich ihres Vaters ungeschmälert besitzen sollen. Desgleichen wird er die Mutter des Herrn Childebert, die Frau Königin Brunichilde und ihre Tochter Chlodosinda(3) die Schwester des Herrn König Childebert, solange sie im Reiche der Franken verweilen wird, sowie dessen königliche Gemahlin(4) Faileuba(5) als seine liebe Schwester und seine Töchter unter seinen besonderen S. 33 Schutz und Schirm in christlicher Liebe nehmen; sie sollen in allen Ehren und Würden alle ihre Güter, ihre Städte, Ländereien, Einkünfte und alle Gerechtsame und jedes Vermögensstück, sowohl was sie heutigentages besitzen, als was sie noch unter Christi Beistand rechtlich dazu erwerben sollten, ungestört und ruhig behalten, dergestalt, daß wenn sie über etwas von den Staatsländereien, über Kostbarkeiten oder Geld nach ihrem Belieben verfügen oder jemandem etwas der Art verleihen wollen, es dabei unverrückt für immerdar verbleiben und ihr Wille von niemandem zu irgendeiner Zeit angefochten werden soll.
In betreff der Städte Bordeaux, Limoges, Cahors, Bearn(1) und Begorra(2) welche einst Galsvintha(3) die Schwester der Frau Brunichilde, wie bekannt, als sie nach Frankreich kam, teils zum Brautschatz, teils zur Morgengabe erhielt(4) und die dann nach der richterlichen Entscheidung des ruhmreichen Herrn Königs Gunthramn und der Franken bei Lebzeiten der Könige Chilperich und Sigibert bekanntermaßen Frau Brunichilde erwarb, ist festgesetzt worden, daß Frau Brunichilde vom gegenwärtigen Tage an die Stadt Cahors mit ihrem Gebiete und allen ihren Bewohnern zum Eigentum empfangen(5) die andren Städte aber, die in dieser Beziehung oben genannt sind, Herr Gunthramn, solange er lebt, besitzen soll, doch so, daß sie dereinst nach S. 34 dessen Heimgang in ihrem ganzen Umfange in das Eigentum der Frau Brunichilde und ihrer Erben unter Gottes Beistand wiederum übergehen, bei Lebzeiten König Gunthramns aber weder von der Frau Brunichilde noch von ihrem Sohne Childebert oder dessen Söhnen auf irgendeine Weise oder zu irgendeiner Zeit beansprucht werden sollen.
Jngleichen kam man überein, daß Herr Childebert Senlis ungeteilt besitzen soll, und soviel das Dritteil beträgt, das Herrn Gunthramn hiervon zukommt, soll diesem dafür von dem Drittteil, das Herrn Childebert an dem Gebiet von Ressons(1) zusteht, zu den Anteilen, welche Herr Gunthramn dort schon besitzt, als Entschädigung gegeben werden.
Desgleichen kam man überein, daß nach dem zwischen Herrn Gunthramn und Herrn Sigibert seligen Andenkens geschlossenen Vertrage diejenigen Leudes,(2) die nach dem Tode König Chlothars zuerst Herrn Gunthramn ihren Eid geschworen und sich erweislich erst nachher auf die andre Seite gewandt haben, von den Orten, wo sie sich jetzt aufhalten, zurückgebracht werden. Gleicherweise sollen auch diejenigen, die nach dem Tode König Chlothars erweislich zuerst Herrn Sigibert ihren Eid geleistet und sich nachher auf die andre Seite gewandt haben, zurück-gebracht werden. Desgleichen soll alles, was die erwähnten Könige an Kirchen oder an ihre Getreuen verliehen haben oder unter Gottes Beistand annoch rechtmäßiger Weise verleihen werden, unangefochten diesen verbleiben. Und was einem jeden ihrer Getreuen in beiden Reichen nach Gesetz und Recht zukommt, daran soll er keine Beeinträchtigung erleiden, sondern alles besitzen und zurückerhalten, was ihm gebührt, und wenn irgendeinem etwas in gesetzloser Zeit(3) ohne seine Schuld ent- S. 35 zogen ist, soll es ihm nach vorheriger Untersuchung zurückgestellt werden. Und was ein jeder durch die Freigebigkeit früherer Könige bis zum Tode des Herrn Königs.Chlothar ruhmreichen Andenkens erworben hat, soll er ungefährdet besitzen, und was seitdem getreuen Personen entzogen worden ist, soll ihnen gegenwärtig zurückerstattet werden. Und weil zwischen den erwähnten Königen eine wahre und aufrichtige Eintracht in Gottes Namen hergestellt ist, kam man überein, daß den Getreuen beider durch beider Reich, mögen dieselben in Staatsgeschäften oder in ihren eigenen Angelegenheiten reisen, niemals der Durchzug zu verweigern sei(1) Jngleichen hat man bestimmt, daß keiner die Leudes des andren an sich ziehen oder, wenn sie zu ihm kommen sollten, aufnehmen darf(2) Wenn diese aber etwa glauben sollten, sich wegen irgend einer Schuld in den Schutz des andren Teils begeben zu müssen, sollen sie ausgeliefert werden, jedoch nach Beschaffenheit ihres Verbrechens unter der Zusicherung, daß ihnen an Leib und Leben kein Leid geschehen soll.
Endlich beschloß man diesem Vertrage noch hinzuzufügen, daß wenn ein Teil die gegenwärtige Festsetzung, unter welchem Vorwande oder zu welcher Zeit es auch sei, übertreten sollte, er alle hier für die Folge versprochenen wie sofort eingeräumten Vorteile verlieren soll und sie dem zufallen, der unverbrüchlich alle obigen Bestimmungen beobachtet hat; auch soll dieser dann seiner eidlichen Verpflichtungen in allen Stücken entbunden sein. Nachdem dies also bestimmt, schwören die Beteiligten beim Namen des allmächtigen Gottes, bei der untrennbaren Dreifaltigkeit, bei allem, was heilig ist, bei dem S. 36 Schrecken des jüngsten Gerichts, daß sie alles, was oben geschrieben steht, ohne jeglichen Lug und Trug aufrichtig und unverbrüchlich bewahren wollen.
Dieser Vertrag wurde abgeschlossen am 28. November im sechsundzwanzigsten Jahre der Regierung des Herrn Königs Gunthramn, im zwölften der Regierung des Herrn Childebert."
Als der Vertrag verlesen war, sprach der König: „Gottes Gericht soll mich treffen, wenn ich von dem etwas breche, was hierin enthalten ist". Er wandte sich dann zu Felix,(1) der mit uns als Gesandter gekommen war, und sprach: „Sprich nun, Felix, du hast ja die engste Freundschaft zwischen meiner Schwester Brunichilde und Fredegunde, die Gottes und aller Menschen Feindin ist, herbeigeführt". Felix leugnete dies, und ich sprach: „Der König zweifle nicht, daß zwischen ihnen noch jetzt dieselbe Freundschaft besteht, die sie seit langen Jahren hegen. Denn wisse wohl, der Haß, der von altersher zwischen ihnen obwaltet, tobt noch fort und erstirbt nicht. Möchtest du nur, ruhmreicher König, ein minder freundliches Benehmen mit Fredegunde haben. Denn du empfängst, wie wir oft erfahren haben, ihre Gesandten geziemender als die unsrigen". Da antwortete jener: „Wisse, Bischof, ich empfange ihre Gesandten so, daß ich dabei das gute Vernehmen mit meinem Neffen König Childebert niemals aus den Augen lasse. Denn mit der kann ich ja nimmerdar Freundschaft schließen, von der zu wiederholten Malen Mörder ausgingen, die mir nach dem Leben strebten". Da er dies sagte, sprach Felix: „Es ist zu dir, glorreicher König, wie ich glaube, gedrungen, daß Rekkared eine Gesandtschaft an euren Neffen geschickt hat, die eure Nichte Chlodosinda, eures Bruders Tochter, für ihn zur Ehe verlangen sollte.(2) Aber jener wollte ohne euren Rat nichts hierüber versprechen". S. 37 Der König sprach: „Es ist nicht wohlgetan, daß meine Nichte dahin gehe, wo ihre Schwester ermordet worden ist;(1) auch kann mir das nicht gefallen, daß der Tod meiner Nichte Jngunde ungerächt bleiben soll". Felix antwortete: „Man will sich deswegen vollständig rechtfertigen, durch Eidschwur oder auf welche Weise ihr es verlangt(2) nur gebet eure Zustimmung, daß Chlodosinda Rekkared verlobt werde, wie er es wünscht". Der König sagte: „Wenn mein Neffe erfüllt, was er selbst im Ver-trage hat festsetzen lassen, so will ich ihm hierin seinen Willen tun". Da wir versprachen, es sollte alles erfüllt werden, fügte Felix noch hinzu: „Er bittet auch eure Liebe, daß ihr ihm Beistand gegen die Langobarden gewährt, damit dies Volk aus Italien vertrieben werde und der Teil des Landes, den sein Vater bei seinen Lebzeiten erobert hat(3) wieder an ihn komme, das Übrige aber durch euch und ihn der Herrschaft des Kaisers wieder unterworfen werde". Der König antwortete: „Ich kann mein Heer nicht nach Italien senden und ohne Not dem Tode preisgeben. Denn eine schreckliche Seuche verheert jetzt Italien". Darauf sagte ich: „Ihr habt euren Neffen wissen lassen, alle Bischöfe seines Reichs sollten an einem Orte zusammentreten, weil vieles einer Untersuchung bedürfe. Nach dem Brauch und den Kirchengesetzen wünscht aber euer ruhmreicher Neffe, daß lieber der Bischof jeder Mutterkirche mit den Bischöfen seiner Provinz zusammentrete und so durch Beschluß der Bischöfe gebessert werde, was gegen die Ordnung geschehen ist. Denn welchen Grund gibt es, so viele Personen an einem Orte zu S. 38 versammeln? Der Glaube der Kirche ist von keiner Gefahr bedroht; es taucht keine neue Irrlehre auf. Was ist also für eine Notwendigkeit, daß so viele Bischöfe des Herrn sich an einem Orte versammeln sollen?" Jener sprach: „Vieles gibt es zu entscheiden; denn es ist viel Unrechtes geschehen, Bestimmungen sind gegen das unzüchtige Leben zu treffen und Entschließungen in manchen Sachen zu fassen, welche uns selbst angehen. Vor allen Dingen aber liegt die Sache vor, die Gott selbst angeht und die wichtiger ist als alle, daß ihr untersucht, wie es kam, daß Bischof Prätextatus mit dem Stahl in der Kirche ermordet wurde.(1) Auch über die, welche wegen fleischlicher Lust angeklagt sind, ist eine Entscheidung zu treffen, damit sie entweder überführt durch Beschluß der Bischöfe bestraft und gebessert werden können oder, wenn sie unschuldig befunden werden, die Beschuldigung des Verbrechens öffentlich von ihnen genommen werde". Darauf befahl er, die Synode bis zum Anfang des Juni zu verschieben.(2)
Nach diesen Worten begaben wir uns zur Kirche, denn es war gerade an jenem Tage das Fest der Auferstehung des Herrn(3) Als die Messe beendet war, zog uns der König zur Tafel, die ebenso reich besetzt mit Schüsseln war, als an ihr gute Laune herrschte. Der König sprach fortwährend von Gott, von der Erbauung von Kirchen und wie man sich der Armen annehmen müsse. Bisweilen lachte er, sich an einem frommen Scherz(4) erfreuend, manches sagte er, um uns eine Freude zu machen. So hörten wir von ihm folgendes: „Möchte doch mein Neffe S. 39 sein Versprechen halten; es ist ja doch alles sein, was ich habe. Wenn er aber Ärgernis daran nimmt, daß ich Gesandte meines Neffen Chlothar empfange, bin ich denn so ohne Verstand, daß ich nicht wissen sollte, zwischen ihnen die Sache ins gleiche zu bringen, auf daß der Hader nicht noch länger daure? Ich weiß wohl, daß es besser ist, ihm schnell ein Ende zu machen, als ihn sich in die Länge ziehen zu lassen. Ich werde Chlothar, wenn ich mich überzeugt habe, daß er mein Neffe ist,(1) zwei oder drei Städte in irgendeinem Teile meines Reiches geben, damit der eine nicht ganz ohne Erbe an meinem Reiche bleibe und der andere sich nicht über das zu beunruhigen braucht, was ich jenem hinterlasse". Nachdem er solches und andres der Art gesprochen hatte, entließ er uns unter Beweisen seiner Liebenswürdigkeit und mit Geschenken überhäuft und forderte uns auf, König Childebert immer solchen Rat zu erteilen, der seinem Wohle förderlich wäre.
